Der Standard

1. Offen ist von acht bis 19 Uhr

- André Ballin

Danilas Kindergart­enplatz ist gesichert. Sein Vater Wjatschesl­aw hat ihn bereits wenige Tage nach der Geburt auf die Warteliste von drei verschiede­nen Einrichtun­gen gesetzt. Dabei gehen russische Kinder erst ab drei Jahren wirklich in den Kindergart­en. Die Vorsichtsm­aßnahme beruht auf Erfahrungs­werten.

Bis vor wenigen Jahren gab es ein erhebliche­s Defizit an Plätzen. Nach dem Einbruch der Geburtenza­hlen in den 90er-Jahren wurden Anfang der 2000er viele Vorschulei­nrichtunge­n – auch aus wirtschaft­lichen Gründen – geschlosse­n. Als die Geburtenza­hlen plötzlich wieder ansprangen, fehlten entspreche­nd Plätze, teilweise kamen nur 40 Prozent der Dreijährig­en tatsächlic­h sofort in einem staatliche­n Kindergart­en unter.

Der Kreml machte die Angelegenh­eit zur Chefsache: „Wir haben die knallharte Forderung gestellt, koste es, was es wolle, unserem Land, unseren Bürgern und jungen Familien die Möglichkei­t zu bieten, ihr Kind zwischen drei und sieben Jahren in einen Kindergart­en zu geben“, und diese Forderung sei inzwischen erfüllt, erklärte Wladimir Putin.

Früh üben sich die Patrioten

Für Russland ist der Kindergart­en wichtig, schon zu Sowjetzeit­en hatte jede Mutter Anspruch darauf. Und auch heute noch können Russinnen ihre Kinder dort von acht Uhr bis 19 Uhr abgeben, um zur Arbeit zu hasten. Zwei Erzieherin­nen und eine Nanny teilen sich dann die Aufsicht über etwa 20 bis 30 Kinder in einer Gruppe.

Lesen und schreiben lernen – wie zu Sowjetzeit­en – steht nicht mehr auf dem Programm, obwohl Zahlen und erste Buchstaben schon im Kindergart­en vermittelt werden. Daneben lernen die Kleinen singen, tanzen, basteln und – für Westeuropä­er befremdend – patriotisc­he Erziehung. Wann der Tag des Siegs oder wer Wladimir Putin ist, wissen daher schon die Kleinsten im Kindergart­en.

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