Rapper retten Frankreichs Cognac
In Frankreich kommt der Cognac aus der Mode, doch weltweit verzeichnet er Verkaufsrekorde. Zu verdanken hat das der traditionsreiche Weinbrand nicht zuletzt den afroamerikanischen Rappern.
So, und jetzt schaffen wir uns einen eigenen Cognac“, verkündet Sylvie Perret, Leiterin der Hausbesuche beim 150 Jahre alten Familienunternehmen Camus. Die um den Tisch versammelte Reisegruppe nickt folgsam. Jeder Teilnehmer erhält vier Schwenker mit Eau de vie aus den umstehenden Eichenfässern.
Der goldbraune Nektar stammt aus verschiedenen Lagen des Anbaugebietes, den Borderies, und ist „XO“, das heißt mindestens sieben Jahre alt. Je nach Kalkgehalt der Böden und Ausbrennungszeit der Fassdauben riecht er ganz unterschiedlich – nach Vanille, Kakao, Toastbrot, Rosen, Moos, Feigen, Tabak, Schokolade, Zimt. Sylvie kennt über 60 Cognac-Aromen. „Jetzt ist es an Ihnen, die richtige Mischung zusammenzustellen“, sagt die Französin in perfektem Englisch. Neben einem deutschen und einem rumänischen Paar besteht die Gruppe der frischgebackenen „Master Blender“(Meistermischer), wie sie Sylvie ohne erkennbare Ironie nennt, ausschließlich aus Amerikanern.
Texaner in Cognac: Klingt ein wenig nach Kulturschock. Napoleons Schlummertrunk, der sich durch eine doppelte Destillation auszeichnet, gilt in unseren Breitengraden weiterhin als Altherren-Digestiv, zu genießen mit einer Zigarre am Kaminfeuer. Altes Europa, würde man meinen.
Irrtum. Die Europäer trinken immer weniger Cognac, die Franzosen gar um 60 Prozent weniger als Whisky. Außerhalb des Alten Kontinents verkaufen sich die Cognac-Marken wie Hennessy, Rémy Martin, Courvoisier, Martell oder Camus dagegen immer besser. 206 Millionen Flaschen setzten sie im Geschäftsjahr 2017/2018 (Juli bis Juli) weltweit ab, wie das Branchenbüro BNIC kürzlich bekanntgab. Die Zunah- me um 8,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr ist der vierte Verkaufsrekord in Folge.
86,5 Mio. Flaschen entfallen allein auf Nordamerika – fast zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. Vielleicht noch überraschender: Ein Renner ist Cognac vor allem unter jungen Afroamerikanern. Rapper machen in ihren Clips Gratiswerbung, wenn sie eine Flasche mit altehrwürdigem Hennessy herumreichen und singend reimen: „Hit the Henny!“(etwa: Hau den Henny rein). US-Star Rihanna besingt in ihrem Song Bitch better have my money den Louis XIII. Damit meint sie nicht den französischen König des 17. Jahrhunderts, sondern Rémy Martins legendäre Cognac-Marke, die in den New Yorker Diskotheken heute zu den „Musts“gehört.
Gereift wird Louis XIII am westlichen Ende des Städtchens Cognac. Hier, in seinen berühmten Kellern, lagert Rémy Martin seinen Cognac in Fässern, die teils über hundert Jahre alt sind. „Unser Kellermeister stellt einen Weinbrand her, dessen fertiges Produkt er nicht einmal mehr erleben wird“, erzählt Laura Goglio den ehrfürchtigen Besuchern aus Übersee – comme il faut auf Englisch. Die Amerikaner machen großen Augen. Dass ihnen Laura später einen Cognac „on the rocks“serviert, überrascht sie dagegen nicht. „In Europa regen sich die Puristen auf, wenn man Eiswürfel in einen erlesenen Rémy Martin gibt“, schmunzelt Laura. „Dabei ist Cognac sehr anpassungsfähig. Hier im Ort trinken ihn die Einheimischen gerne durch ein Schweppes verdünnt.“
Auch wenn die Cognac-Branche das Bild des gediegenen Weinbrands für reife Liebhaber zumindest in Europa hochhält, pflegt sie ihre neue Kundschaft in den USA. Starrapper 50 Cent besuchte vor einigen Monaten auf Einladung das Städtchen Cognac mit seinen 18.000 Einwohnern. Zu einem Bild, auf dem er auf einer Leiter in ein Fass schaut, twitterte er: „Jetzt verstehe ich, warum Cognac so gut schmeckt!“
Spezialanfertigung
Im Degustierraum von Rémy Martin finden sich auch CognacVarianten, die nur in den USA vertrieben werden. Sie seien auf den amerikanischen Geschmack ausgerichtet und etwas süßer als normaler Cognac, erklärt Laura. Daneben prangt eine imposante Flasche Centaure, die der Mutterkonzern Rémy-Cointreau speziell für den asiatischen Markt konzipierte – etwas würziger, wie es die Chinesen mögen. Das Reich der Mitte ist neben den USA der zweite Hauptmarkt für Cognac. Ein starkes Wachstum erlebt er zudem in Märkten wie Russland, Südafrika, Vietnam oder der Karibik.
In Fernost gilt der Weinbrand aus Frankreich auch wegen der oft prunkvollen Flaschen als schickes Statussymbol; ein Renner sind nummerierte Sonderausgaben in Baccarat-Kristall. Den Louis XIII hat Rémy Martin in eine sündhaft teure Geschenkbox verpackt: Sie beginnt beim Öffnen zu leuchten.