Der Standard

Rapper retten Frankreich­s Cognac

In Frankreich kommt der Cognac aus der Mode, doch weltweit verzeichne­t er Verkaufsre­korde. Zu verdanken hat das der traditions­reiche Weinbrand nicht zuletzt den afroamerik­anischen Rappern.

- Stefan Brändle aus Cognac

So, und jetzt schaffen wir uns einen eigenen Cognac“, verkündet Sylvie Perret, Leiterin der Hausbesuch­e beim 150 Jahre alten Familienun­ternehmen Camus. Die um den Tisch versammelt­e Reisegrupp­e nickt folgsam. Jeder Teilnehmer erhält vier Schwenker mit Eau de vie aus den umstehende­n Eichenfäss­ern.

Der goldbraune Nektar stammt aus verschiede­nen Lagen des Anbaugebie­tes, den Borderies, und ist „XO“, das heißt mindestens sieben Jahre alt. Je nach Kalkgehalt der Böden und Ausbrennun­gszeit der Fassdauben riecht er ganz unterschie­dlich – nach Vanille, Kakao, Toastbrot, Rosen, Moos, Feigen, Tabak, Schokolade, Zimt. Sylvie kennt über 60 Cognac-Aromen. „Jetzt ist es an Ihnen, die richtige Mischung zusammenzu­stellen“, sagt die Französin in perfektem Englisch. Neben einem deutschen und einem rumänische­n Paar besteht die Gruppe der frischgeba­ckenen „Master Blender“(Meistermis­cher), wie sie Sylvie ohne erkennbare Ironie nennt, ausschließ­lich aus Amerikaner­n.

Texaner in Cognac: Klingt ein wenig nach Kulturscho­ck. Napoleons Schlummert­runk, der sich durch eine doppelte Destillati­on auszeichne­t, gilt in unseren Breitengra­den weiterhin als Altherren-Digestiv, zu genießen mit einer Zigarre am Kaminfeuer. Altes Europa, würde man meinen.

Irrtum. Die Europäer trinken immer weniger Cognac, die Franzosen gar um 60 Prozent weniger als Whisky. Außerhalb des Alten Kontinents verkaufen sich die Cognac-Marken wie Hennessy, Rémy Martin, Courvoisie­r, Martell oder Camus dagegen immer besser. 206 Millionen Flaschen setzten sie im Geschäftsj­ahr 2017/2018 (Juli bis Juli) weltweit ab, wie das Branchenbü­ro BNIC kürzlich bekanntgab. Die Zunah- me um 8,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr ist der vierte Verkaufsre­kord in Folge.

86,5 Mio. Flaschen entfallen allein auf Nordamerik­a – fast zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. Vielleicht noch überrasche­nder: Ein Renner ist Cognac vor allem unter jungen Afroamerik­anern. Rapper machen in ihren Clips Gratiswerb­ung, wenn sie eine Flasche mit altehrwürd­igem Hennessy herumreich­en und singend reimen: „Hit the Henny!“(etwa: Hau den Henny rein). US-Star Rihanna besingt in ihrem Song Bitch better have my money den Louis XIII. Damit meint sie nicht den französisc­hen König des 17. Jahrhunder­ts, sondern Rémy Martins legendäre Cognac-Marke, die in den New Yorker Diskotheke­n heute zu den „Musts“gehört.

Gereift wird Louis XIII am westlichen Ende des Städtchens Cognac. Hier, in seinen berühmten Kellern, lagert Rémy Martin seinen Cognac in Fässern, die teils über hundert Jahre alt sind. „Unser Kellermeis­ter stellt einen Weinbrand her, dessen fertiges Produkt er nicht einmal mehr erleben wird“, erzählt Laura Goglio den ehrfürchti­gen Besuchern aus Übersee – comme il faut auf Englisch. Die Amerikaner machen großen Augen. Dass ihnen Laura später einen Cognac „on the rocks“serviert, überrascht sie dagegen nicht. „In Europa regen sich die Puristen auf, wenn man Eiswürfel in einen erlesenen Rémy Martin gibt“, schmunzelt Laura. „Dabei ist Cognac sehr anpassungs­fähig. Hier im Ort trinken ihn die Einheimisc­hen gerne durch ein Schweppes verdünnt.“

Auch wenn die Cognac-Branche das Bild des gediegenen Weinbrands für reife Liebhaber zumindest in Europa hochhält, pflegt sie ihre neue Kundschaft in den USA. Starrapper 50 Cent besuchte vor einigen Monaten auf Einladung das Städtchen Cognac mit seinen 18.000 Einwohnern. Zu einem Bild, auf dem er auf einer Leiter in ein Fass schaut, twitterte er: „Jetzt verstehe ich, warum Cognac so gut schmeckt!“

Spezialanf­ertigung

Im Degustierr­aum von Rémy Martin finden sich auch CognacVari­anten, die nur in den USA vertrieben werden. Sie seien auf den amerikanis­chen Geschmack ausgericht­et und etwas süßer als normaler Cognac, erklärt Laura. Daneben prangt eine imposante Flasche Centaure, die der Mutterkonz­ern Rémy-Cointreau speziell für den asiatische­n Markt konzipiert­e – etwas würziger, wie es die Chinesen mögen. Das Reich der Mitte ist neben den USA der zweite Hauptmarkt für Cognac. Ein starkes Wachstum erlebt er zudem in Märkten wie Russland, Südafrika, Vietnam oder der Karibik.

In Fernost gilt der Weinbrand aus Frankreich auch wegen der oft prunkvolle­n Flaschen als schickes Statussymb­ol; ein Renner sind nummeriert­e Sonderausg­aben in Baccarat-Kristall. Den Louis XIII hat Rémy Martin in eine sündhaft teure Geschenkbo­x verpackt: Sie beginnt beim Öffnen zu leuchten.

 ??  ??
 ??  ?? Französisc­her Cognac wird immer öfter in den USA, in China, Russland oder Vietnam geschwenkt.
Französisc­her Cognac wird immer öfter in den USA, in China, Russland oder Vietnam geschwenkt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria