Blickfang für die Mächtigen
Welche Kunstwerke mag Sebastian Kurz? Und womit schmückt sich Heinz-Christian Strache? Die Kunst in Politikerbüros erzählt oft mehr über ihre Bewohner, als ihnen lieb sein kann. Ein Blick in die Büros unserer Regierung.
Der Staatsmann Gerhard Schröder (SPD) an seinem Schreibtisch, dahinter der kopfüber nach unten stürzende Adler von Georg Baselitz: ein Motiv, das von den Bildredaktionen deutscher Medien einst gern ins Blatt gehievt wurde. Allein der rebellischen Note wegen, kokettierte die Inszenierung doch mit der Verhöhnung des deutschen Wappenvogels. Im Herbst 2005 wurde die Adlerpartitur von Baselitz abgehängt. Angela Merkel (CDU) entschied sich für ein Porträt Konrad Adenauers, 1966 von Oskar Kokoschka gemalt. Symbolisch blickt ihr im Arbeitsalltag seither der erste Kanzler der Bundesrepublik und Mitbegründer ihrer Partei über die Schulter.
Im Arbeitsumfeld von Regierenden hat Kunst eine seit Jahrhunderten währende Tradition. Nicht nur zum Zweck der Dekoration, sondern als bewusst eingesetztes Accessoire. Denn ihre Aura färbt ab: Wer sich mit Alten Meistern und Antiquitäten umgibt, wird als traditionellen Werten verhaftet wahrgenommen. Wer alte Strukturen überwinden, neue Denkmuster und kreative Arbeitsformen entwickeln will, schmückt sich hingegen mit zeitgenössischer Kunst. Die individuelle Wahl dokumentiert nicht nur das angepeilte Image, sondern verrät mehr über ihre Wurzeln und das jeweilige Amtsverständnis, als den Politikern bisweilen lieb sein mag. Das kann man auch an den von österreichischen Regierungsmitgliedern erkorenen Kunstwerken exemplarisch erkennen: Das Bundeskanzleramt auf dem Ballhausplatz ist jener Ort, an dem im Umfang die meiste Kunst gezeigt wird. Das beginnt am Treppenaufgang, wo Fritz Wotrubas Junger König thront, eine Skulptur, die Bruno Kreisky 1973 vom Künstler geschenkt bekam. Als wohl bekannteste Fotokulisse fungiert der Steinsaal, aus dem jüngst die Bildnisse von Wenzel Anton Fürst Kaunitz-Rietberg und Erzherzogin Maria Anna verbannt wurden. Neuerdings nehmen Kanzler und Co dort vor Maja Vukojes Kiwano Aufstellung.
Im Büro des Bundeskanzlers stößt man auf ein Bild, das ihn bereits als Außenminister begleitete und bisweilen für Irritation der Besucher sorgt. Es zeigt eine auf den Kopf gestellte Landkarte Europas, über die der Künstler die Staffage des Museumsquartiers skizzierte. Pendel 064 ist die Arbeit des in Lübeck gebürtigen und in Wien lebenden Olaf Osten betitelt. „Die persönliche Wahl“verweise auf „die proeuropäische Haltung des Bundeskanzlers“, erläutert sein Pressesprecher, das Museumsquartier verweise auf einen „Ort der Kunst, Offenheit und beliebten Treffpunkt junger Menschen“. Europa wird neu vermessen, und Sebastian Kurz hat das täglich im Blick: Das Bild hängt gegenüber von seinem Schreibtisch. Die Ge- staltung des einst von Leopold Figl und Bruno Kreisky genutzten Raums stammt von Oswald Haerdtl. Ein solider, konservativer Rahmen. Den Kontrast dazu bildet die Arbeitsstätte des Kanzleramts- ministers, die atmosphärisch an einen Showroom erinnert.
Wer eine Kopie von Pieter Brueghels Turmbau zu Babel erwartet hat, vor der sich Gernot Blümel als Interpret im ORF zu inszenieren verstand, wird enttäuscht. Das Refugium des Kulturministers wird von Frauen dominiert: Die Wände zieren zwei Leihgaben von Martha Jungwirth und die Lichtinstallation Beyond Words von Brigitte Kowanz aus dem Mumok-Bestand. Die Auswahl wurde unter Einbindung der Künstlerinnen aufeinander abgestimmt. Etwas abseits hängt noch eine Leihgabe des Leopold-Museums, ein weiblicher Rückenakt von Koloman Moser.
Und im Büro des Vizekanzlers und Sportministers im Palais Dietrichstein? Hier finden sich keine Schrecklichkeiten des in Kreisen der FPÖ geschätzten Odin Wiesinger. Im Gegenteil, Heinz-Christian Strache stöberte im Fundus des Heeresgeschichtlichen Museums. Die Wahl fiel auf „Szenen und Persönlichkeiten der österreichischen Geschichte“, wie sein Pres- sesprecher erklärt. Dazu gehört Kaiser Franz Joseph I. im Alter von 20 Jahren, porträtiert von Albert Einsle. Und dazu gehört das Bildnis eines anonymen Mitglieds der berittenen Wiener Nationalgarde. Jener Fraktion, die bei der Revolution 1848/49 für Ruhe und Ordnung sorgte, jedoch einer „deutschnationalen“Lösung den Vorzug gegeben hätte. Darauf beruft sich die FPÖ noch heute.
Sieht man vom Hundebettchen ab, verrichtet Karin Kneissl ihr Tagwerk als Außen- und Integrationsministerin ebenfalls in gediegener Atmosphäre, umgeben von Leihgaben aus dem Kunsthistorischen Museum: Porträts der Meytens-Schule aus dem 18. Jahrhundert. Im Mittelpunkt steht Maria Theresia, eine große Pragmatikerin und Reformerin, wie Kneissls Sprecher betont – begleitet von ihrem Ehemann Franz Stephan I. von Lothringen und ihren Eltern Karl VI. und Elisabeth Christine von BraunschweigWolfenbüttel.
Von tagespolitischen Ereignissen völlig unbeeindruckt verrichten all diese an Wände montierten Statisten ihren dekorativen Dienst. Bis zur nächsten Wahl, sofern sie nicht davor gegen andere Kandidaten getauscht und in Depots verbannt werden.