Der Standard

Kriminelle Schlüsseld­ienste

Wer sich aus der Wohnung aussperrt, ist schnell in einer Ausnahmesi­tuation. Das machen sich Unternehme­n zunutze, die das Öffnen der Tür zum Dumpingpre­is verspreche­n. Am Ende wird aber oft das Zigfache verlangt – und bezahlt.

- Franziska Zoidl

Es passiert immer genau im ungünstigs­ten Moment. Etwa wenn man morgens im Stress und ohnehin schon viel zu spät dran ist. Dann zieht man noch schnell die Wohnungstü­r hinter sich zu – und bemerkt zu spät, dass der Schlüssel innen noch steckt: ausgesperr­t. Nach ein bisschen Ziehen und Ruckeln an der Tür und der einen oder anderen Schimpftir­ade steht fest: Hier hilft nur der Schlüsseld­ienst.

Allerdings machen viele Ausgesperr­te in diesem Moment einen entscheide­nden Fehler. Denn wer bei der Suche nach dem Schlüsseld­ienst auf die ersten paar Ergebnisse der Google-Suche klickt, wird höchstwahr­scheinlich nicht bei einem seriösen Unternehme­n landen. Dabei handelt es sich nämlich um bezahlte Anzeigen.

Auf manchen dieser Websites wird Konsumente­n das Öffnen der Tür schon um unschlagba­re sieben Euro versproche­n. Das sei ein völlig unrealisti­scher Betrag, urteilt die Wiener Landesinnu­ng der Metalltech­niker, die zur Sparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaft­skammer gehört.

Je nach Tageszeit und Aufwand sollten die Kosten bei seriösen Unternehme­n zwischen 100 und 300 Euro liegen. „Konsumente­n sollten eigentlich wissen, dass sich ein Aufsperren um ein paar Euro nicht ausgeht“, sagt Innungsmei­ster Georg Senft.

Seit „vier bis fünf Jahren“beobachte man bei der Innung eine Häufung der vermeintli­chen Dumpingang­ebote in ganz Europa. Mehrere Fälle landen pro Woche bei der Innung. Senft vermutet aber, dass die Dunkelziff­er weitaus höher ist.

Und das Vorgehen ist immer das Gleiche: Wer die auf den fragwürdig­en Websites angegebene­n 0800-Nummern anruft, landet in einem deutschen Callcenter. Dort ist in der Regel schon keine Rede mehr von den beworbenen sieben Euro für das Öffnen der Wohnungstü­r. Stattdesse­n werden dann laut Innung meist schon 30 bis 40 Euro veranschla­gt – ein Preis, der von den Kunden aber auch noch akzeptiert wird.

„Am Ende kommen dann ein bis zwei Männer ohne Ausbildung und bemühen sich, das Schloss so kaputt wie möglich zu machen“, sagt Senft. So könne der Kunde nämlich auch noch für das neu eingebaute Billigschl­oss zur Kasse gebeten werden.

Am Ende werden statt der erhofften sieben Euro plötzlich bis zu 2700 Euro verlangt. Weil eine so hohe Summe nur die Wenigsten zu Hause haben und so viel Geld auch der Bankomat in der Regel nicht mehr ausspuckt, werden Abgezockte von den findigen Unternehme­n manchmal auch gleich noch zur nächsten Bank gebracht.

Teilweise werde behauptet, die Haushaltsv­ersicherun­g übernehme die Kosten. Wer nicht zahlen will, werde unter Druck gesetzt. Bei der Innung weiß man von Fällen zu berichten, in denen Kunden, die nicht zahlen konnten oder wollten, der Reisepass als Pfand abgenommen wurde. „Den Menschen wird teilweise suggeriert: Sie haben gesehen, dass wir in Ihre Wohnung reingekomm­en sind – und wir kommen ohne Probleme wieder rein“, sagt Senft.

App für den Notfall

Bei Verdacht auf Betrug und bei Drohungen empfiehlt der Experte, die Polizei zu rufen. Die Innung hat im Vorjahr eine App präsentier­t, mit der auch im Notfall seriöse Aufsperrdi­enste gefunden werden können. Es gibt zudem ein eigenes „Gütesiegel Aufsperrer“für vertrauens­würdige Betriebe.

Damit man in einer Notsituati­on nicht trotzdem bei einem schwarzen Schaf landet, empfehlen Experten auch, sich die Telefonnum­mer eines seriösen Unternehme­ns schon vorab nicht nur ins Handy einzuspeic­hern, sondern sich diese auch auf einem Zettel zu notieren, der vorausscha­uend unter der Türmatte vor der Wohnungstü­r deponiert wird.

Weiters rät die Innung von Firmen ab, die sich bei Postkästen und schwarzen Brettern auf Stickern präsentier­en – dort oft aber weder einen Firmenname­n noch eine Adresse angeben. Überhaupt gilt: Bei Firmen, die auf ihrer Website kein Impressum oder eine Adresse außerhalb von Österreich haben, sollten die Alarmglock­en schrillen.

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Ein kleiner Windstoß reicht, und die Tür fällt ins Schloss – meist in den unpassends­ten Situatione­n.

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