Gernot Blümel als Kulturpolitiker
Die Kritik aus der Kulturszene an Kanzleramtsminister Gernot Blümel mehrt sich. Hat er zu wenig Zeit für das Amt oder schlicht keine Lust? Wo die bürgerliche Kulturpolitik unter Türkis-Blau aktuell steht.
Seinem sportlichen Handschlag nach zu urteilen müsste er eigentlich voller Tatendrang sein. Die Begrüßungsgeste, schneidig wie ein Sägewerk, musste Gernot Blümel in den letzten Monaten öfter austeilen als in den Jahren zuvor. Ab 2015 war er ÖVP-Landesparteiobmann und nicht amtsführender Stadtrat, seit gut 200 Tagen ist der 36-Jährige zum Kanzleramtsminister in der türkis-blauen Bundesregierung aufgestiegen. Die Agenden, die er als rechte Hand des Kanzlers betreut, sind umfassend. Zu umfassend? Möglich. Denn die Kritik an dem Minister, der für EU, Medien und Kultur zuständig ist, kommt gerade aus letzterem Bereich immer vehementer.
Als „nicht amtsführenden Kulturminister“bezeichneten die Kultursprecher von SPÖ, Neos und Liste Pilz Blümel vergangene Woche in einer Pressekonferenz. Es war nicht das erste Mal, dass sich das Oppositionstriumvirat aus Exminister Thomas Drozda, Sepp Schellhorn und Wolfgang Zinggl einhängt, um gegen Blümel auszuteilen. Die Vorwürfe: Es gebe bislang keine Kulturpolitik, es sei für Künstler und Kultureinrichtungen fast unmöglich, beim Minister Termine zu bekommen, und Blümel entziehe sich der Diskussion im parlamentarischen Kulturausschuss. 2018 konnte demnach erst eine Sitzung stattfinden, obwohl es üblicherweise vier bis fünf pro Jahr sein sollten. Die Opposition aber will reden und veranstaltet daher heute, Mittwoch, einen „inoffiziellen Kulturausschuss“vor Publikum, bei dem man aktuelle kulturpolitische Themen unter Einbeziehung von Experten diskutieren will.
Zwischen Profilierung und Affront
Tatsächlich ist Blümel abseits seiner Repräsentationsaufgaben als Eröffnungsredner und Preisverleiher noch kaum aufgefallen. Nach einer Reihe an abgebrühten Antrittsinterviews, in denen er nicht viel mehr sagte, als dass man sich kulturpolitisch alle Themen noch sehr genau „anschauen“werde, bleiben von 200 Tagen Blümel vor allem zwei unrühmliche Episoden übrig: Da war zunächst ein Auftritt im ORF- Kulturmontag, bei dem sich der profilierte ORF-Kritiker und nunmehrige Medienminister über die gesamte Sendungsdauer als Ko-Moderator betätigen durfte. Eigens hatte man eine Originalreplik von Pieter Bruegels Turmbau zu Babel auf den Küniglberg verfrachtet und Blümel, den studierten Philosophen, zur feingeistigen Interpretation des Werks gebeten. Ein vom Sender aufgelegter Elfmeter, den der bibelfeste CV-Vertreter dankend verwandelte.
Die zweite Episode handelt von einem Auftritt bei den vergangenen Salzburger Festspielen – seit jeher wichtigste Bühne für die Kulturminister des Landes, sei es, um prestigeträchtige Neuerungen anzukündigen oder um rhetorisch Loblieder auf die Kulturnation zu singen. Blümel sollte in Salzburg den Staatspreis für Europäische Literatur verleihen. Bekommen sollte ihn die Britin Zadie Smith. Zur Verleihung kam