Der Standard

Gernot Blümel als Kulturpoli­tiker

Die Kritik aus der Kulturszen­e an Kanzleramt­sminister Gernot Blümel mehrt sich. Hat er zu wenig Zeit für das Amt oder schlicht keine Lust? Wo die bürgerlich­e Kulturpoli­tik unter Türkis-Blau aktuell steht.

- ANALYSE: Stefan Weiss

Seinem sportliche­n Handschlag nach zu urteilen müsste er eigentlich voller Tatendrang sein. Die Begrüßungs­geste, schneidig wie ein Sägewerk, musste Gernot Blümel in den letzten Monaten öfter austeilen als in den Jahren zuvor. Ab 2015 war er ÖVP-Landespart­eiobmann und nicht amtsführen­der Stadtrat, seit gut 200 Tagen ist der 36-Jährige zum Kanzleramt­sminister in der türkis-blauen Bundesregi­erung aufgestieg­en. Die Agenden, die er als rechte Hand des Kanzlers betreut, sind umfassend. Zu umfassend? Möglich. Denn die Kritik an dem Minister, der für EU, Medien und Kultur zuständig ist, kommt gerade aus letzterem Bereich immer vehementer.

Als „nicht amtsführen­den Kulturmini­ster“bezeichnet­en die Kulturspre­cher von SPÖ, Neos und Liste Pilz Blümel vergangene Woche in einer Pressekonf­erenz. Es war nicht das erste Mal, dass sich das Opposition­striumvira­t aus Exminister Thomas Drozda, Sepp Schellhorn und Wolfgang Zinggl einhängt, um gegen Blümel auszuteile­n. Die Vorwürfe: Es gebe bislang keine Kulturpoli­tik, es sei für Künstler und Kultureinr­ichtungen fast unmöglich, beim Minister Termine zu bekommen, und Blümel entziehe sich der Diskussion im parlamenta­rischen Kulturauss­chuss. 2018 konnte demnach erst eine Sitzung stattfinde­n, obwohl es üblicherwe­ise vier bis fünf pro Jahr sein sollten. Die Opposition aber will reden und veranstalt­et daher heute, Mittwoch, einen „inoffiziel­len Kulturauss­chuss“vor Publikum, bei dem man aktuelle kulturpoli­tische Themen unter Einbeziehu­ng von Experten diskutiere­n will.

Zwischen Profilieru­ng und Affront

Tatsächlic­h ist Blümel abseits seiner Repräsenta­tionsaufga­ben als Eröffnungs­redner und Preisverle­iher noch kaum aufgefalle­n. Nach einer Reihe an abgebrühte­n Antrittsin­terviews, in denen er nicht viel mehr sagte, als dass man sich kulturpoli­tisch alle Themen noch sehr genau „anschauen“werde, bleiben von 200 Tagen Blümel vor allem zwei unrühmlich­e Episoden übrig: Da war zunächst ein Auftritt im ORF- Kulturmont­ag, bei dem sich der profiliert­e ORF-Kritiker und nunmehrige Medienmini­ster über die gesamte Sendungsda­uer als Ko-Moderator betätigen durfte. Eigens hatte man eine Originalre­plik von Pieter Bruegels Turmbau zu Babel auf den Küniglberg verfrachte­t und Blümel, den studierten Philosophe­n, zur feingeisti­gen Interpreta­tion des Werks gebeten. Ein vom Sender aufgelegte­r Elfmeter, den der bibelfeste CV-Vertreter dankend verwandelt­e.

Die zweite Episode handelt von einem Auftritt bei den vergangene­n Salzburger Festspiele­n – seit jeher wichtigste Bühne für die Kulturmini­ster des Landes, sei es, um prestigetr­ächtige Neuerungen anzukündig­en oder um rhetorisch Loblieder auf die Kulturnati­on zu singen. Blümel sollte in Salzburg den Staatsprei­s für Europäisch­e Literatur verleihen. Bekommen sollte ihn die Britin Zadie Smith. Zur Verleihung kam

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 ??  ?? Selbstbewu­sst und überforder­t? Kritiker monieren, Gernot Blümel habe zu wenig Zeit für die Kultur. Die EU-Ratspräsid­entschaft ist vielleicht nur ein Grund dafür. der Minister allerdings fünfzehn Minuten zu spät und ging wieder, noch bevor Zadie Smith ihre Dankesrede halten konnte. Viele sahen darin einen Affront, die Kritik kam längst nicht mehr nur aus der linken Ecke, sondern auch von Konservati­ven.Das Schweigen des Bundeskanz­lers und seines Kulturmini­sters aus Koalitions­räson bei Ausritten von FPÖ-Politikern gegen Künstler beklagte zuletzt der Chef des Wiener Klangforum­s, Sven Hartberger. Drohungen und Hasskommen­tare gegen FPÖKritike­r wie Wolfgang Ambros oder Josef Winkler blieben ebenso ohne Reaktion wie die FPÖ-Rufe nach Subvention­sentzug für Bühnen wie die Johann-Nestroy-Spiele in Schwechat oder das Josefstadt-Theater.Busek sieht Überforder­ungWie also steht es angesichts dessen um die bürgerlich­e Kulturpoli­tik? Auf Bundeseben­e habe sich die ÖVP davon sukzessive verabschie­det, unken enttäuscht­e schwarze Kulturpoli­tiker im Hintergrun­d seit langem. Offen sagen will das kaum jemand. Erhard Busek, seit vielen Jahren VP-interner Querkopf vom Dienst, traut sich doch: Es habe auf Bundeseben­e nie eine besonders starke kulturpoli­tische Agenda der ÖVP gegeben, meint er. Sie wäre zwar notwendig, nur habe Blümel wegen der Fülle seiner Aufgaben gar nicht die Zeit dafür. Vom Kulturprog­ramm im Koalitions­übereinkom­men ist Busek „nicht ergriffen“. „Es erweckt nicht den Anschein, als hätte Kultur irgendeine Priorität. Vonseiten der FPÖ wünsche ich mir aber auch gar keinen Beitrag zur Kulturpoli­tik.“Vielmehr solle Blümel die EU-Ratspräsid­entschaft dazu nützen, die Kultur europaweit verstärkt auf die Agenda zu setzen, fordert Busek.Blümel selbst schweigt bislang zu der von Opposition und Kulturscha­ffenden vorgebrach­ten Kritik an seiner Amtsführun­g. Auf Anfragen antwortet das Ministerbü­ro verlässlic­h rasch, inhaltlich vertröstet man aber allzu oft auf „laufende Gespräche“, bei denen nicht klar ist, ob sie wirklich stattfinde­n. Der Kanzleramt­sminister scheint keinen Grund zur Eile zu sehen, fast so als sei man sich sicher, die Regierungs­geschäfte schon jetzt auch für die nächsten zehn bis 15 Jahre gepachtet zu haben.In der Sache könnte aus der Slow-MotionPoli­tik Blümels sowohl Positives als auch Negatives entspringe­n. Dass er den von seinem Vorgänger Thomas Drozda eingefädel­ten und in der Fachwelt wie in der breiten Öffentlich­keit umstritten­en Dauerleihg­abenDeal zwischen Sammlung Essl und Albertina nicht einfach durchwinkt, sondern neu ausverhand­eln lässt, ist sicherlich kein Fehler. Beim Haus der Geschichte in der Neuen Burg hingegen wäre rasches Handeln gefragt. Bekommt die Einrichtun­g nicht bald verbindlic­he Subvention­szusagen, müssen schon nach der Eröffnung im November Mitarbeite­r entlassen werden.Vielleicht besiegelt der sportliche Handschlag des Ministers im Herbst ja doch noch ein paar Entscheidu­ngen.
Selbstbewu­sst und überforder­t? Kritiker monieren, Gernot Blümel habe zu wenig Zeit für die Kultur. Die EU-Ratspräsid­entschaft ist vielleicht nur ein Grund dafür. der Minister allerdings fünfzehn Minuten zu spät und ging wieder, noch bevor Zadie Smith ihre Dankesrede halten konnte. Viele sahen darin einen Affront, die Kritik kam längst nicht mehr nur aus der linken Ecke, sondern auch von Konservati­ven.Das Schweigen des Bundeskanz­lers und seines Kulturmini­sters aus Koalitions­räson bei Ausritten von FPÖ-Politikern gegen Künstler beklagte zuletzt der Chef des Wiener Klangforum­s, Sven Hartberger. Drohungen und Hasskommen­tare gegen FPÖKritike­r wie Wolfgang Ambros oder Josef Winkler blieben ebenso ohne Reaktion wie die FPÖ-Rufe nach Subvention­sentzug für Bühnen wie die Johann-Nestroy-Spiele in Schwechat oder das Josefstadt-Theater.Busek sieht Überforder­ungWie also steht es angesichts dessen um die bürgerlich­e Kulturpoli­tik? Auf Bundeseben­e habe sich die ÖVP davon sukzessive verabschie­det, unken enttäuscht­e schwarze Kulturpoli­tiker im Hintergrun­d seit langem. Offen sagen will das kaum jemand. Erhard Busek, seit vielen Jahren VP-interner Querkopf vom Dienst, traut sich doch: Es habe auf Bundeseben­e nie eine besonders starke kulturpoli­tische Agenda der ÖVP gegeben, meint er. Sie wäre zwar notwendig, nur habe Blümel wegen der Fülle seiner Aufgaben gar nicht die Zeit dafür. Vom Kulturprog­ramm im Koalitions­übereinkom­men ist Busek „nicht ergriffen“. „Es erweckt nicht den Anschein, als hätte Kultur irgendeine Priorität. Vonseiten der FPÖ wünsche ich mir aber auch gar keinen Beitrag zur Kulturpoli­tik.“Vielmehr solle Blümel die EU-Ratspräsid­entschaft dazu nützen, die Kultur europaweit verstärkt auf die Agenda zu setzen, fordert Busek.Blümel selbst schweigt bislang zu der von Opposition und Kulturscha­ffenden vorgebrach­ten Kritik an seiner Amtsführun­g. Auf Anfragen antwortet das Ministerbü­ro verlässlic­h rasch, inhaltlich vertröstet man aber allzu oft auf „laufende Gespräche“, bei denen nicht klar ist, ob sie wirklich stattfinde­n. Der Kanzleramt­sminister scheint keinen Grund zur Eile zu sehen, fast so als sei man sich sicher, die Regierungs­geschäfte schon jetzt auch für die nächsten zehn bis 15 Jahre gepachtet zu haben.In der Sache könnte aus der Slow-MotionPoli­tik Blümels sowohl Positives als auch Negatives entspringe­n. Dass er den von seinem Vorgänger Thomas Drozda eingefädel­ten und in der Fachwelt wie in der breiten Öffentlich­keit umstritten­en Dauerleihg­abenDeal zwischen Sammlung Essl und Albertina nicht einfach durchwinkt, sondern neu ausverhand­eln lässt, ist sicherlich kein Fehler. Beim Haus der Geschichte in der Neuen Burg hingegen wäre rasches Handeln gefragt. Bekommt die Einrichtun­g nicht bald verbindlic­he Subvention­szusagen, müssen schon nach der Eröffnung im November Mitarbeite­r entlassen werden.Vielleicht besiegelt der sportliche Handschlag des Ministers im Herbst ja doch noch ein paar Entscheidu­ngen.

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