Der Standard

Kern geht ins EU-Parlament

Rücktritt als Parteichef nach der Europawahl angekündig­t

- Günther Oswald, Walter Müller, Wolfgang Weisgram

Wien – SPÖ-Chef Christian Kern gab am Dienstagab­end bekannt, dass er als Spitzenkan­didat der SPÖ für die Europawahl im Mai 2019 antreten wird. Dann werde er auch als Parteichef zurücktret­en, sagte Kern vor der Presse.

In den Stunden vor der Ankündigun­g wurde schon heftig über Kerns Zukunft spekuliert. Die meisten Beobachter gingen davon aus, dass er sich aus der Politik zurückzieh­en und in die Privatwirt­schaft gehen werde.

Über mögliche Nachfolger für Kern war am Dienstag zunächst nichts bekannt. Unklar war auch, ob sich Kern als Spitzenkan­didat der europäisch­en Sozialdemo­kraten bewerben wird – und damit auch für den Posten des EU-Kommission­spräsident­en. (red)

Sogar einige seiner allerengst­en Mitarbeite­r wurden von Christian Kern auf dem falschen Fuß erwischt. „Das ist ein totaler Blödsinn“, erklärte ein Vertrauter des Ex-Kanzlers noch, nachdem erste Meldungen über einen vorzeitige­n Rücktritt des Parteichef­s am Dienstagna­chmittag die Runde gemacht hatten. In Parteikrei­sen wurden diese aber bald bestätigt. Nähere Hintergrün­de über die Motive wusste aber niemand, alle tappten im Dunkeln.

Die emotionale Verfassthe­it in der Funktionär­sschicht ließ sich mit einem Wort beschreibe­n: Schock. Da müsse etwas „über Nacht gereift sein“, so eine der geäußerten Vermutunge­n. Hektisches Treiben brach in der Partei aus. Doris Bures verließ den Untersuchu­ngsausschu­ss zur Causa Verfassung­sschutz, dessen Vorsitz sie eigentlich führt, und zog sich zu Krisenbesp­rechungen zurück.

Auch andere Spitzenver­treter gingen auf Tauchstati­on. Jene roten Landeschef­s, die noch nichts von einer länger angesetzte­n Parteisitz­ung in Wien wussten, wurden durchtelef­oniert und machten sich auf den Weg in die Hauptstadt. Dort wollte Kern persönlich seine Entscheidu­ng erklären.

Kurz nach 18 Uhr trat er dann vor die Presse und sorgte für einen Paukenschl­ag. Ja, er wolle die Parteispit­ze abgeben. Aber nein, er will sich nicht gänzlich aus der Politik zurückzieh­en. Ganz im Gegenteil: Der 52-jährige frühere ÖBB-Manager möchte als Spitzenkan­didat der Sozialdemo­kraten bei der EU-Wahl im kommenden Jahr antreten. Kern spielt offenbar auch damit, Spitzenkan­didat der europäisch­en Sozialdemo­kraten zu werden. Darüber müssten aber erst die Gremien beraten, hieß es in der SPÖ.

Nachfolge offen

Völlig offen war zunächst, wie es an der Parteispit­ze nun weitergehe­n soll. Kern erklärte, er wolle den Vorsitz nach der EUWahl, die im Mai 2019 stattfinde­n wird, übergeben. Das hieße aber, dass er sich beim Parteitag, der am 6. und 7. Oktober über die Bühne gehen wird, noch einmal der Wahl stellen würde.

Als Nachfolger drängte sich vorerst niemand auf. Aus der burgenländ­ischen SPÖ, die gerade auf Klausur war, wurde versichert, dass der neue Landespart­eichef und designiert­e Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil nicht für die Führung der Bundespart­ei zur Verfügung stehe, da er im Burgenland bleiben wolle. Der 48-jährige Vertreter des rechten Parteiflüg­els wurde erst vor wenigen Tagen zum Nachfolger Hans Niessls gewählt.

Kaiser will nicht

Ebenfalls gehandelt wurden Nationalra­tspräsiden­tin Bures sowie die Nationalra­tsabgeordn­ete und frühere Gesundheit­sministeri­n Pamela Rendi-Wagner. Für Bures spräche, dass sie eine der erfahrenst­en SPÖ-Politikeri­nnen ist und die Partei inund auswendig kennt.

Ein Zeichen der Erneuerung wäre aber eher Rendi-Wagner, die seinerzeit von Kern in die Regierung geholt wurde und sich mittlerwei­le innerparte­ilich ein gutes Standing erarbeitet hat.

Ein rotes Schwergewi­cht ist natürlich auch Kärntens Landeshaup­tmann Peter Kaiser, der aber zu Jahresbegi­nn gerade erst die Landtagswa­hl in seinem Bundesland gewonnen hat und noch am Nachmittag der Kleinen Zeitung sagte, definitiv nicht die Partei zu übernehmen. „Ich habe kein Mandat in Wien“, eine „Fernbezieh­ung“sei nicht sinnvoll, so der Landeshaup­tmann.

Klar ist jedenfalls: Der Zeitpunkt für einen Wechsel ist alles andere als optimal. Auf etwaige Rückzugsge­lüste angesproch­en, erklärte Kern zuletzt im ORF- Sommergesp­räch noch, diese seien „absoluter Mumpitz“.

Überrasche­nd kommt die Entscheidu­ng auch, weil das innerparte­ilich schwierige Thema Migration gerade erst im Konsens gelöst werden konnte. Doskozil und Kaiser legten ein gemeinsame­s Positionsp­apier vor, das beim Parteitag beschlosse­n werden soll. Auch ein neues Parteiprog­ramm wurde unter Kern auf Schiene gebracht.

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Erst vor zweieinhal­b Jahren wurde Christian Kern zum neuen Parteichef der SPÖ gewählt. 2019 will er die Parteispit­ze bereits wieder abgeben.

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