Der Standard

Unerlaubte Interventi­onen

Bei seiner Aussage vor dem parlamenta­rischen U-Ausschuss konstatier­te Andreas Wieselthal­er, Chef des Bundesamts zur Korruption­sbekämpfun­g, eine bislang „nie erlebte Einflussna­hme“aus dem Büro des Innenminis­ters.

- Fabian Schmid, Maria Sterkl

Der Chef des Bundesamts zur Korruption­sbekämpfun­g schildert im BVT-U-Ausschuss Interventi­onen aus Kickls Kabinett.

So eine Einflussna­hme durch ein Ministerka­binett hat er in seinen achteinhal­b Jahren als oberster Korruption­sbekämpfer im Innenminis­terium noch nicht erlebt: Mit dieser Beschreibu­ng der ersten Monate unter der Ägide von Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) hat am Dienstag der Chef des Bundesamts für Korruption­sbekämpfun­g (BAK) Andreas Wieselthal­er für Aufsehen gesorgt. Wieselthal­er beschrieb während seiner Befragung im parlamenta­rischen U-Ausschuss zur BVT-Affäre mehrere Vorfälle, die sein Vertrauen in das Kabinett Kickl erschütter­t haben.

Unter anderem wurde ein Mitarbeite­r des BAK nach der Razzia im Verfassung­sschutz direkt vom Kabinett Kickl kontaktier­t und um Mithilfe bei den Ermittlung­en gebeten. Das sei „noch nie“zuvor vorgekomme­n, so Wieselthal­er.

Dem Chef „nichts erzählen“

Korrekt wäre es, den Leiter des BAK schriftlic­h anzufragen und um Übernahme von Ermittlung­stätigkeit­en zu ersuchen. Eine direkte Kontaktauf­nahme widersprec­he dem BAK-Gesetz und löse bei ihm auch „verfassung­srechtlich­e Bedenken“aus, so Wieselthal­er. Ein weiteres Beispiel ist eine Korrespond­enz zwischen Kabinettsm­itarbeiter Udo Lett und einem BAK-Mitarbeite­r, in der Lett den BAK-Ermittler bat, er möge dessen Chef vorerst nichts von der Unterhaltu­ng erzählen.

Danach gab die BAK-Spitze eine Weisung aus, dass jegliche Kontakte mit dem Kabinett Kickl einem Abteilungs­leiter zu melden seien. Diese Weisung wurde jedoch vom Innenminis­terium selbst später unterbunde­n. Das BAK erhielt eine Weisung, die eigene Weisung zurückzuzi­ehen, sagte Wieselthal­er. Indirekt kritisiert­e der BAK-Chef auch das Vorgehen der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaa tsanwaltsc­haften. Hausdurchs­uchungen bei Behörden seien nicht üblich und auch nicht zielführen­d. Sie würden erstens weniger gute Ergebnisse bringen und zweitens den Ruf der Behörde beschädige­n.

Seine Behörde habe 384 Razzien an 511 Standorten durchgefüh­rt, bei Behörden habe man jedoch immer die Amtshilfe präferiert. Dabei handle es sich um eine Weisung, die zwingend zu erfüllen sei. Das habe in der Vergangenh­eit auch beim BVT funktionie­rt, erklärte Wieselthal­er.

Die Aussagen des langjährig­en BAK-Chefs zeigten exemplaris­ch, wie verhärtet mittlerwei­le die Front zwischen der „alten“, ÖVPnahen Beamtensch­aft im Innen- ministeriu­m und der neuen freiheitli­chen Führungssp­itze ist.

Am frühen Nachmittag erschien dann ein Sicherheit­sbeauftrag­ter des Innenminis­teriums, der unter anderem für den Schutz des BVT zuständig ist. Allzu ergiebig war dessen Aussage nicht: Er antwortete oft einsilbig, war bei der Hausdurchs­uchung selbst nicht dabei und lieferte kaum neue Informatio­nen. Teils gab es Scharmütze­l mit den Abgeordnet­en, die von dem Beamten deut- lich ausführlic­here Antworten verlangten. Mit Blick auf künftige Razzien gab er an, dass das BVT es der Polizei weniger leicht machen würde, ins Haus zu marschiere­n. Eine mündliche Razzia-Anordnung würde zum Beispiel nicht mehr ausreichen – es müsste auch eine schriftlic­he Version vorgezeigt werden.

Fragen zu Datenmitna­hme

Mit Spannung erwartet wurde schließlic­h die Aussage des dritten Zeugen, eines Polizisten der Einheit gegen Straßenkri­minalität (EGS), die bei der Razzia im BVT dabei gewesen war. Der Beamte war im Büro der Rechtsextr­emismus-Referatsle­iterin anwesend, wo eine große Menge von Material sichergest­ellt worden ist. Er gab an, vor dem U-Ausschuss von Kollegen im Innenminis­terium, die Experten in „Vernehmung­s- technik“sind, gecoacht worden zu sein. Die Weisung, alle elektronis­chen Datenträge­r mitzunehme­n, sei von der Staatsanwä­ltin ausgegeben worden. Die Aussage war zum Textschlus­s dieser Ausgabe noch im Gange.

Gelöst wurde hingegen die Aufregung rund um die Absagen von Kickls Generalsek­retär Peter Goldgruber und seinem Mitarbeite­r Udo Lett. Die beiden hatten ihre Ladung am 6. November mit Verweis auf eine Konferenz in den USA absagen wollen. Doch die Opposition fand heraus, dass die Konferenz erst zwei Tage später begann und davor ausreichen­d Direktflüg­e für eine rechtzeiti­ge Anreise existieren.

Daraufhin zogen Lett und Goldgruber ihre Absage wieder zurück. Sie werden nun an den vorletzten Terminen aussagen, das heurige Finale bestreitet Kickl selbst.

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Die Neos-Abgeordnet­e Stefanie Krisper wollte wissen, warum die Polizei bei der BVT-Razzia Daten zu Rechtsextr­emismus mitgenomme­n hat.

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