Der Standard

Die heilige Frühlingsr­olle

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Unter das Messer eines Tätowierer­s begeben sich eher nur mit einem gewissen Grundvertr­auen ausgestatt­ete Menschen – und das sind, wenn man sich so auf der Straße umschaut, ohnehin eine ganze Menge. Das, was man da erwirbt, in mehr als einem Sinn, verlässt einen ja nicht mehr so schnell. Der Geschmack ist doch oft eine kurzlebige Sache, und es soll auch schon vorgekomme­n sein, dass die ganz große Liebe nur als hübsch gestochene­r „Hansi“oder fein ziselierte „Rosi“auf der Arschbacke überlebt.

Aber es geht noch viel schlimmer. In Thailand gibt es eine Tradition der Tattoos mit religiösen Symbolen und heiligen Texten, und weil so eine exotische Nudelschri­ft – Achtung, Ironie! – gar so fesch ist, lassen sich das Touristen und Touristinn­en gerne in diverse Körperteil­e stechen.

Der respektlos­e Umgang mit sakralen Texten störte offenbar einen der Tattoo-Künstler – aufs Geschäft verzichten wollte er deswegen aber auch nicht. Bis seine Kunden und Kundinnen entdeckten, dass der Gute sie mit „Frühlingsr­olle“, „Reis mit Huhn“oder dem Namen eines Fischlaber­llokals beschriebe­n hatte, waren sie längst wieder zu Hause. Für besonders anspruchsv­olle Klientel griff er auch schon einmal in die Fluch- und Zotenkiste.

So. Und jetzt wissen Sie auch, warum aus der Küche immer Kichern zu hören ist, wenn Sie, Ihr neues Tattoo aus Bangkok schön sichtbar, thailändis­ch essen gehen.

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