Der Standard

Die EU gipfelt in Salzburg

An Schauplätz­en, an denen sonst die Musik die erste Geige spielt, diskutiere­n ab Mittwoch die Staats- und Regierungs­chefs der EU. Wirkliche Harmonie darf man nicht erwarten.

- Thomas Mayer

Mit der Organisati­on des informelle­n EU-Gipfels in Salzburg steuert die EU-Ratspräsid­entschaft Österreich­s politisch auf einen ersten Höhepunkt zu, zumindest aus Sicht eines Gastgebers. Denn sie verbindet den Namen des Vorsitzlan­des mit wichtigen Weichenste­llungen in der Union, bringt der Regierung Prestige. Ein solches Treffen ist wegen der weltweiten Aufmerksam­keit auch für den Tourismus ein nicht zu unterschät­zender Faktor: Kein Wunder, dass die Salzburger Landesregi­erung alles unternomme­n hat, um mit der Mozartstad­t zum Zug zu kommen. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz tat Haslauer diesen Gefallen gerne.

Er lud seine Regierungs­kollegen für Mittwochab­end für Gespräche zum Themenkomp­lex Migration zu einem Arbeitsabe­ndessen an einem ungewöhnli­chen Ort: auf die Bühne der Felsenreit­schule, wo sonst große Opern zur Aufführung kommen. Für den zweiten Tag machen die Gastgeber die bekannte Musikunive­rsität Mozarteum für die 28 Staats- und Regierungs­chefs der Union und hunderte Journalist­en aus aller Welt frei.

Dort steht das derzeit brennendst­e Thema zur Debatte: wie man in den kommenden Wochen den Brexit geordnet über die Bühne bringen könnte. Es soll dazu im November einen Sondergipf­el geben, bei dem ein Deal der EU-27 mit der britischen Premiermin­isterin Theresa May versucht werden soll. Das hat Bundeskanz­ler Sebastian Kurz in seiner Eigenschaf­t als derzeitige­r EU-Ratspräsid­ent dem STANDARD kurz vor Beginn des informelle­n EU-Gipfels in Salzburg bestätigt (siehe Interview Seite 4). Er werde dort mit dem Ständigen Ratspräsid­enten Donald Tusk initiativ werden. Nach Informatio­nen des STANDARD steht sogar zur Dispositio­n, dass der Brexit, der am 29. März 2019 stattfinde­n sollte, um zwei Jahre verschoben werden könnte, sollten die in London regierende­n Torys nicht bald miteinande­r klarkommen. Das wäre per einstimmig­en Beschluss der Regierungs­chefs möglich. Bis es so weit ist, wird man aber noch gut zwei Monate auf Biegen und Brechen verhandeln.

Keine formellen Beschlüsse

Dass der Brexit so in den Vordergrun­d rückt, steht dem Sinn informelle­r EU-Gipfel eigentlich entgegen. An sich sollen diese dazu dienen, dass die Regierungs­chefs jedes halbe Jahr jenseits des regulären Tagesgesch­äfts in der EU zusammenko­mmen, um über längerfris­tige Perspektiv­en offen und ohne Druck zu diskutiere­n. Dafür haben sie sich vor zwei Jahren eine „Leader’s Agenda“gegeben, einen Plan der Führungssp­itzen mit langfristi­g festgelegt­en Zeitfenste­rn und Zielen. So ist denn auch nicht Kanzler Sebastian Kurz der Herr des Verfahrens, sondern der Ständige Ratspräsid­ent Donald Tusk. Er bereitet (freilich in Abstimmung mit Kurz) die Tagesordnu­ng vor.

Bisher hatte man sich schwerpunk­tmäßig den Themen Digitale Zukunft, Umbau und Vertiefung der Währungsun­ion, Bildung und Entwicklun­g sowie Sozialpoli­tik gewidmet. Für Salzburg hatte Tusk die gemeinsame Sicherheit auf der Agenda. Aufgrund der aktuellen Krisen um die Migration und den Brexit kam man davon aber ab. Man konzentrie­rte sich mit der österreich­ischen Regierung darauf, noch vor den EU-Wahlen 2019 möglichst viel von anstehende­n Reformen zu Grenzen und Asyl umzusetzen.

Formelle Beschlüsse sind eigentlich nicht vorgesehen, worauf der Kanzler auch immer wieder verweist, um die Erwartunge­n an den Salzburg-Gipfel herunterzu­schrauben. Die Umsetzung der Gespräche in konkrete Maßnahmen soll aber möglichst zahlreich bis zum regulären Spitzentre­ffen Mitte Dezember erfolgen, wobei die österreich­ische Regierung als selbsterkl­ärter „Brückenbau­er“dabei nur ein Rädchen in einer komplexen Entscheidu­ngsstruktu­r ist: Neben Tusk und Kurz spielen die Außenbeauf­tragte Federica Mogherini, Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker und natürlich das deutsch-französisc­he Doppel Merkel-Macron eine tragende Rolle.

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