Verdächtiger von Chemnitz freigelassen
Zweiter Verdächtiger weiter in U-Haft – Koalition beriet über Maaßen
Berlin – Wenige Stunde vor einer entscheidenden Sitzung der deutschen Koalitionsparteien hat es in Chemnitz wieder einen juristischen Paukenschlag gegeben. Einer jener beiden Männer, die wegen des tödlichen Messerangriffs auf den jungen Deutschen Daniel H. Ende August in Untersuchungshaft gesessen waren, wurde am Dienstagnachmittag freigelassen. Gegen den irakischen Asylsuchenden bestehe kein dringender Tatverdacht mehr, teilte sein Anwalt mit. Ein zweiter, aus Syrien stammender Verdächtiger bleibt in Haft. Nach einem dritten Mann, der aus dem Irak stammen soll, werde weiterhin gefahndet.
Der tödliche Angriff am Rande des Chemnitzer Stadtfestes war Zündfunke für eine Reihe von Ausschreitungen in Chemnitz gewesen. Am Tag nach der Tat hatten mehrere rechte und rechtsradikale Gruppen zu Protesten aufgerufen, extremistische Teilnehmer verübten dabei eine Reihe von Angriffen auf Menschen, die sie wegen ihres Aussehens für Ausländer hielten. Zudem gab es Anzeigen wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz, etwa wegen des Zeigens des Hitlergrußes. Auf Videos, die später von rechtsradikalen Websites verbreitet wurden, ist zu hören, wie die Menge Slogans wie „Elendes Viehzeug!“, „Deutsch, sozial und national!“und „Für jeden toten Deutschen einen toten Ausländer!“ruft.
Für Aufregung hatte später eine weitere Videoaufzeichnung gesorgt, die auf dem Twitter-Account der linken Gruppe „Antifa Zeckenbiss“veröffentlicht wurde. Diese zeigt eine Gruppe Rechter, die in Chemnitz auf einen dunkelhäutigen Mann losgehen. Der Chef des deutschen Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, sagte über dieses Video in einem Interview mit der Bild, es gebe „gute Gründe“, es für eine Fälschung zu halten, mit der Linke versuchten, „die Öffentlichkeit von dem Mord abzulenken“. Indizien dafür präsentierte er nicht.
Berichte über Kompromiss
Maaßen war schon zuvor mit Nähe zur rechten AfD aufgefallen, deren Argumentationslinie zu den Vorfällen von Chemnitz er mit seinen Aussagen zum Video zu bestätigen schien. Die SPD forderte den Abgang Maaßens, die Rufe verstärkten sich, als bekannt wurde, dass dieser AfD-Politikern bei Treffen interne Informationen weitergegeben haben soll. Während Innenminister Horst Seehofer (CSU) zunächst seine Unterstützung für Maaßen bekundete, soll sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende für seinen Abgang entschieden haben. Über seine Zukunft wurde zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe in Berlin noch verhandelt. Medien berichteten über einen möglichen Kompromiss, der einen Wechsel Maaßens als Staatssekretär im Innenministerium vorsehe. (mesc)