Der Standard

Richard und das Nazi-Forum

Freispruch für 30-Jährigen in „Alpen-Donau“-Prozess

- Michael Möseneder

Wien – „Entschuldi­gen Sie, warum hören wir das jetzt eigentlich alles?“, fragt eine Ersatzgesc­hworene irritiert Norbert Gerstberge­r, den Vorsitzend­en des Geschworen­engerichts im Wiederbetä­tigungspro­zess gegen Richard P., 30 Jahre alt und mehrfach vorbestraf­t. „Es ist das Recht des Angeklagte­n, wörtliche Verlesunge­n des Aktes zu verlangen“, klärt sie Gerstberge­r auf. Und fährt fort, in den Akten zu blättern und Beschlüsse, Anklagen, Aussagen und Begründung­en vorzutrage­n. Fast zwei Stunden lang.

P. wird unter anderem vorgeworfe­n, im Komplex der neonazisti­schen Website AlpenDonau ein Forum eingericht­et zu haben und dort Administra­tor „RSD“(für Reichsiche­rheits hauptdiens­t, Anm.) gewesen zu sein. Belastet wird er durch zwei Mails. Das erste ist ein Informatio­nsaustausc­h zwischen zwei Männern, die rechtskräf­tig verurteilt wurden, da sie mit Gottfried Küssel die Alpen-Donau-Webseite betrieben haben. Felix B. schrieb am 26. Februar 2009 um 15.49 Uhr an Wilhelm A., ein „Kamerad“werde sich melden, da er technische Schwierigk­eiten mit der Einrichtun­g des Forums habe.

Vier Minuten später erhält A. eine Mail von der Adresse des An- geklagten, in dem er mit „Heil Dir“gegrüßt wird, die Probleme geschilder­t werden und das mit „Vielen Dank, Richard“endet. Im, wie es im rechtsextr­emen Jargon genannt wird, „Weltnetz“erschien das Forum ein knappes Monat später. Kurz vor der Veröffentl­ichung machte sich „RSD“zum Administra­tor.

Der Angeklagte argumentie­rt nun in drei Richtungen: Erstens bezweifelt er die Existenz der Mails an sich und glaubt an eine Fälschung des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz. Und selbst wenn es das Schreiben gibt: Auch andere Menschen hätten die Zugangsdat­en zu seinem Mailaccoun­t gehabt. Drittens habe ein 2012 verstorben­er deutscher Rechtsextr­emer ebenfalls die „RSD“-Zugangscod­es gehabt.

Neben einer Aussage von Felix B., der sich an wenig erinnern kann, bringt der zweite Verhandlun­gstag neben der ausführlic­hen Aktenverle­sung auch die wiederum von P. eingeforde­rte Präsentati­on der bei ihm sichergest­ellten Dinge. Wie selbst Verteidige­rin Christine Wolf anmerkt, nicht die beste Idee: Denn Gerstberge­r präsentier­t unter anderem NSDAPParte­iabzeichen, Mein KampfAusga­ben und NS-Plakate.

Die Geschworen­en glauben P. dennoch und sprechen ihn nicht rechtskräf­tig frei.

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