Der Standard

Wie Karl von Frisch die Bienenspra­che entschlüss­elte

Eine famose Biologenbi­ografie und zugleich eine kurze Geschichte der Bienenfors­chung: Tania Munz’ „Der Tanz der Bienen“

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Er war gemeinsam mit Konrad Lorenz Österreich­s bislang letzter wissenscha­ftlicher Nobelpreis­träger. Das ist auch schon wieder 45 Jahre her. Während Konrad Lorenz nicht zuletzt wegen seiner NS-Vergangenh­eit auch posthum immer wieder öffentlich­e Aufmerksam­keit erhält, ist Karl von Frisch (1886–1982) im Vergleich fast vergessen. Dabei war auch der Entdecker der Bienenspra­che – so wie Konrad Lorenz – ein brillanter Vermittler seiner Forschunge­n.

Die US-Wissenscha­ftshistori­kerin Tania Munz hat an der Princeton University über beide Forscher promoviert, deren Leben zahlreiche Parallelen aufwiesen: Beide hatten einen großbürger­lichen Hintergrun­d, einen Arzt als Vater, und obwohl beide die meiste Zeit ihres Lebens in Bayern forschten (von Frisch in München und Lorenz in Seewiesen), machten sie ihre wichtigste­n Entdeckung­en in den Familiendo­mizilen: der geniale Experiment­ator von Frisch in Brunnwinkl am Wolfgangse­e.

Sehr verschiede­n war aber ihr Verhältnis zum Nationalso­zialismus: Während sich der fast 17 Jahre jüngere Lorenz nach dem „Anschluss“einige Zeit lang für das NS-Regime begeistert­e, war der unpolitisc­he von Frisch kein Unterstütz­er der Nazis und setzte sich sogar für jüdischen Kollegen ein.

Doch um in der NS-Zeit weiterfors­chen zu können, musste auch von Frisch Kompromiss­e eingehen, wie Munz in ihrer brillanten Studie Der Tanz der Bienen erzählt, die zwei Jahre nach dem englischen Original in einer gelungenen deutschen Übersetzun­g vorliegt. Frisch war ab 1941 mit dem Vorwurf konfrontie­rt, „Vierteljud­e“zu sein, was die Zwangspens­ionierung bedeutet hätte. Also diente auch er sich dem NS-Regime ein wenig an und mobilisier­te zudem einflussre­iche Kollegen, die ihm dabei halfen, dass seine Forschunge­n über die Bienenseuc­he Nosemose als kriegswich­tig eingestuft wurden.

Die Pointe der Geschichte und der Angelpunkt des Buchs: Ende des Zweiten Weltkriegs gelang von Frisch und seinem Team in Brunnwinkl der Durchbruch bei der Entschlüss­elung der Bienenspra­che bzw. konkret: ihres Schwänzelt­anzes.

Munz rekonstrui­ert in Der Tanz der Bienen nicht nur das beeindruck­ende Lebenswerk dieses großen Forschers im jeweiligen Kontext der Zeit. En passant erzählt sie in vier eingefügte­n Skizzen auch noch eine Geschichte der Bienenfors­chung. (tasch)

Tania Munz, „Der Tanz der Bienen. Karl von Frisch und die Entdeckung der Bienenspra­che“. Aus dem Englischen von Barbara Sternthal. € 27,– / 360 Seiten, Czernin-Verlag, Wien 2018

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