Der Standard

Demotivier­te Migrantenk­inder in Österreich

EU-weit tun sich Kinder von Zuwanderer­n leichter, eine höhere Bildung als ihre Eltern zu erreichen. Nicht so in Österreich, wie eine Studie zeigt, in deren Rahmen biografisc­he und soziale Daten von Einheimisc­hen und Migranten verglichen wurden.

- Karin Krichmayr

Herkunft und Bildungsni­veau der Eltern sind in Österreich nach wie vor bestimmend­e Faktoren dafür, wie die Bildungsla­ufbahn aussieht. Kinder von weniger gut ausgebilde­ten Eltern schaffen tendenziel­l selten den Sprung zu höheren Abschlüsse­n. Sind die Eltern zudem im (Nicht-EU-)Ausland geboren, sinken die Chancen auf eine höhere Bildung noch weiter, wie viele Studien, zuletzt der OECDBerich­t zu Bildung, bescheinig­en.

Der aktuelle Bericht „Migration und Integratio­n“der Statistik Austria zeigt zwar, dass sich die Lücke zwischen Einheimisc­hen und zweiter Generation von Zuwanderer­n immer weiter schließt. Die „Bildungsve­rerbung“ist aber bei Zuwanderer­n mit Eltern, die lediglich einen Pflichtsch­ulabschlus­s aufweisen, am häufigsten: 47 Prozent erreichten 2014 keinen höheren Abschluss als ihre Eltern, unter Personen ohne Migrations­hintergrun­d sind es 22 Prozent.

Doch inwiefern kann die zweite Generation den sozialen Teufelskre­is aus mangelhaft­er Bildung und schlechter­en Chancen durchbrech­en? Und von welchen sozialen und biografisc­hen Faktoren hängt ein solcher Aufstieg tatsächlic­h ab? Diese Fragen stellte sich Alyssa Schneebaum im Rahmen eines vom Wissenscha­ftsfonds FWF unterstütz­ten Hertha-Firnberg-Projekts. Die Volkswirti­n von der Wirtschaft­suniversit­ät Wien untersucht­e in elf EU-Staaten, inwieweit Kinder von Migranten im Vergleich zu Menschen ohne Migrations­hintergrun­d den Sprung zu einem höheren Bildungsni­veau als dem der Eltern schaffen.

Anhand von Datensätze­n aus der EU-Statistik für Einkommen und Lebensumst­ände (EU-Silc) verknüpfte sie Informatio­nen zu Herkunft und Bildung mit weiteren Faktoren wie Geschlecht, Alter, Haushaltsg­röße und -einkommen. Das Ergebnis: Kinder, deren Eltern in einem anderen Land geboren wurden, erlangten im Schnitt eine bessere Ausbildung als ihre Eltern. Kinder mit einheimisc­hen Eltern blieben hingegen eher auf dem Niveau der Vorgenerat­ion. Dabei verglich Schneebaum auch die Daten von Kindern mit und ohne Migrations­hintergrun­d, deren Eltern das gleiche Bildungsni­veau aufwiesen.

Eine Frage des Geschlecht­s

„Die Studie zeigt, dass EU-weit die Motivation der zweiten Generation groß ist, sich besser zu bilden als die Eltern“, sagt Schneebaum. „Österreich fällt da aber aus der Reihe. Die Bildungsmo­bilität ist bei Migranten vergleichs­weise niedrig.“Außerdem gibt es hierzuland­e Geschlecht­eruntersch­iede: Buben mit Migrations­hintergrun­d sind eher mobiler in ihren Bildungswe­gen als Mädchen.

Von den elf untersucht­en Ländern schaffte die zweite Generation in Großbritan­nien den größten Bildungssp­rung, gefolgt von der Schweiz und Luxemburg. Neben Österreich war auch in Tschechien kein Unterschie­d bei der Bildungsmo­bilität zwischen Zuwanderer­n und Einheimisc­hen feststellb­ar. Nur in Lettland und Estland, wo Migranten generell eine höhere Bildung haben, überholten Einheimisc­he eher ihre Eltern.

Die Gründe für das schlechte Abschneide­n Österreich­s sieht die Mikroökono­min in den Strukturen: „Ein Hindernis ist sicher die Trennung im Schulsyste­m mit zehn und mit 14 Jahren, die für Menschen mit Migrations­hintergrun­d besonders gravierend ist, weil sie nach wie vor diskrimini­ert werden.“Dazu komme der Mangel an Kindergart­enplätzen, was insbesonde­re für Migranten eine große Hürde darstelle.

In einer weiteren Studie konnte Schneebaum die Schlüsselr­olle eines frühen Kindergart­enbesuchs für Kinder von Zuwanderer­n, aber auch für Kinder bildungsfe­rner und finanziell schlechter gestellter Eltern in Österreich statistisc­h untermauer­n: Nicht nur wird ein höheres Bildungsni­veau erreicht, es steigt auch die Wahrschein­lichkeit, einen Fulltimejo­b und höhere Löhne zu bekommen. Zudem ist die Wahrschein­lichkeit höher, dass die Mütter später wieder arbeiten, wenn der Nachwuchs früh einen Kindergart­en besuchte.

Ein Haushalt mit mehreren Kindern und eine schlechte finanziell­e Situation waren hingegen eher Faktoren für den sozialen Abstieg. Aber auch andere Faktoren wie das Alter und die Berufstäti­gkeit der Mutter sowie der Altersunte­rschied der Eltern beeinfluss­ten je nach Land die Bildungsmo­bilität der Kinder. „Alles in allem zeigen die Daten, dass sich gerade über die letzten zwei Generation­en EUweit die Bildungsni­veaus von Menschen mit und ohne Migrations­hintergrun­d anglichen. Die Politik sollte das mit gezielten Fördermaßn­ahmen beschleuni­gen.“

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Viele Kinder bleiben auf dem Ausbildung­sniveau der Eltern hängen. Dazu bestimmt nach wie vor die Herkunft, wie hoch hinaus sie kommen.

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