Der Standard

Strahlenme­dizin vor Gericht

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Bei manchen Beschuldig­ten in Strafverfa­hren, die angeben, strafunmün­dig zu sein, bestehen Zweifel, ob das tatsächlic­h zutreffend ist – beispielsw­eise bei Staatenlos­en, Flüchtling­en oder anderen Drittstaat­enangehöri­gen, die ihr Alter nicht belegen können. Soll man im Zuge einer „multifakto­riellen Altersschä­tzung“nun auf medizinisc­hem Wege – und mithilfe strahlenme­dizinische­r Methoden – feststelle­n dürfen, ob die Angaben glaubwürdi­g sind? Die Diskussion darüber gründet auf einer unklaren Rechtslage. „Einerseits kommt ein rechtswiss­enschaftli­cher Teil der Lehre zum Ergebnis, dass es unzulässig sei. Anderersei­ts gibt es Urteile in erster und zweiter Instanz, die sich dafür ausspreche­n“, fächert Michael Pfeifer die Positionen der Debatte auf. „Ein Urteil des Obersten Gerichtsho­f dazu steht noch aus.“

Welche juristisch­e Argumentat­ion es tatsächlic­h für die Altersunte­rsuchung im Rahmen des Strafverfa­hrens geben könnte, ist eine der Fragen, mit denen sich Pfeifer in seiner Arbeit am Ludwig-Boltzmann-Institut (LBI) für Klinisch-Forensisch­e Bildgebung in Graz beschäftig­t hat. „Die bisherigen Urteilsbeg­ründungen, die sich auf Paragraf 123 der Strafproze­ssordnung (StPO) berufen – darin werden körperlich­e Untersuchu­ngen geregelt –, sind noch verbesseru­ngsfähig“, erklärt der 1990 in Feldbach in der Steiermark geborene Jurist. Er begleitet die Forschunge­n des LBI und versucht Praxisfrag­en rechtliche­r Natur zu lösen, die etwa beim Einsatz von Röntgen oder Computerto­mografie in der kriminalis­tischen Beweisfind­ung auftauchen.

Bereits seine Diplomarbe­it stellte Pfeifer in den Dienst der klinisch-forensisch­en Untersuchu­ngen, die auch die Medizinisc­he Universitä­t Graz etwa bei Gewaltopfe­rn auch ohne polizeilic­he Anzeige durchführt. Wenn ein Arzt einen Patienten behandelt, kommt ein Behandlung­svertrag zustande. Pfeifer stellte sich die Frage, welche vertraglic­hen Konsequenz­en es hat, wenn eine derartige Untersuchu­ng keinem diagnostis­chen, sondern einem Ermittlung­szweck dient. Für den Juristen wurde klar: Ein Vertragsab­schluss kommt auch hier zustande. Welche Art von Vertrag, bleibt noch zu klären.

In seiner geplanten Dissertati­on fragt Pfeifer nun danach, welche Rechte und Pflichten der Einsatz der bildgebend­en Verfahren für den klinsch-forensisch­en Zweck nach sich zieht – ein Thema, das erneut die multifakto­rielle Altersdiag­nostik berührt. Pfeifer: „Was die Verfahren für Persönlich­keitsrecht­e, insbesonde­re für das Datenschut­zrecht oder Bildrecht bedeuten, ist noch nicht vollständi­g geklärt.“

Der 28-jährige Jurist kann bereits auf einen Bachelor- und Masterabsc­hluss in Latein und einen Bachelor in Altgriechi­sch verweisen; Studien, in denen er eine familiäre Tradition – schon zwei seiner Großeltern waren Lateinlehr­er – weitertrug. Nach der Geburt der ersten seiner beiden Töchter im Jahr 2015 legte der begeistert­e Orientieru­ngsläufer in nur sieben Semestern ein Jus-Studium nach, das er nun zum Doktorat führt. Doch auch die antike Literatur werde nicht zurückgela­ssen, beruhigt Pfeifer: „Zwischen den rechtswiss­enschaftli­chen Arbeiten haben auch immer ein paar Verse Homer oder Dramen von Euripides oder Sophokles Platz.“(pum)

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Michael Pfeifer beschäftig­t sich mit Rechtsfrag­en rund um die klinisch-forensisch­e Bildgebung.

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