Warum der Westen für Arbeitssuchende oft wenig reizvoll ist
Die österreichischen Arbeitssuchenden sind wenig mobil. Für viele bietet ein Job im ländlichen Westen des Landes keinen Anreiz. Doch lässt sich das ändern? Auch darüber wird beim Jobgipfel der Regierung beraten. Ein Überblick über drei große Herausforderu
Für Jobsuchende wie für Unternehmer bietet die Wirtschaftskammer seit ein paar Tagen ein nützliches Service: den Fachkräfteradar. Online kann jeder Interessierte nachsehen, in welchem Bezirk Österreichs gerade welche Jobs gefragt sind. In Gmunden, Oberösterreich, werden aktuell zum Beispiel 24 Elektromechaniker gesucht, dagegen sind dort nur drei Elektromechaniker arbeitslos gemeldet.
Wer sich mit der interaktiven Karte spielt, kann das Gefälle am Arbeitsmarkt Branche für Branche erkunden. Ob Maurer, Zimmerer, Koch oder Friseur: In Salzburg, Oberösterreich und Tirol fehlen Arbeitskräfte tendenziell. In Wien, aber auch im Burgenland und Niederösterreich gibt es oft mehr Arbeitssuchende als Jobs.
Herausforderung 1: Die Kluft im Land
Diese Kluft wird auch Thema beim Jobgipfel der Bundesregierung sein, der heute, Mittwoch, in Wien stattfindet. Welche Möglichkeiten zu Abhilfe gib es? Das Problem laut Arbeitsmarktexperten ist, dass jede Anstrengung die darauf abzielt, Menschen von Ost nach West zu bringen, gegen den demografischen Trend arbeitet.
Laut Zahlen der Statistik Austria findet unter Inländern eine Wanderbewegung von ländlichen in städtische Regionen statt. Das trifft nicht auf alle Altersgruppen zu, aber besonders auf 18- bis 26Jährige: Zwischen 2006 und 2015 haben pro Jahr etwa 6000 Menschen in diesem Alter ländliche Regionen verlassen, um in Ballungszentren zu ziehen. Auch in der Gruppe der 27- bis 39-Jährigen gibt es eine Landflucht – wobei hier Menschen eher in Speckgürtel ziehen. Die persönliche Verwirklichung suchen junge Menschen also in der Stadt, und zwar unabhängig davon, wo es die Jobs gibt. Deshalb fehlen in ländlichen Regionen des Westens, die oft auch Touristenmagnete sind, Arbeitskräfte.
Bisherige Versuche, den Mangel durch Zuzug aus dem Osten auszugleichen sind mäßig erfolgreich. So forciert das Arbeitsmarktservice AMS im Rahmen des Projektes „b.mobile“die Vermittlung von anerkannten Flüchtlingen auf Lehrstellen in Westösterreich. Das Projekt läuft seit 2016. Bisher in den Westen vermittelte Menschen: Rund 90. 2008 wurde vom damaligen Kanzler Alfred Gusenbauer eine Übersiedlungsprämie ins Leben gerufen: Arbeitslose, die einen Umzug in Kauf nahmen, konnten bis zu 4600 Euro dafür beim AMS beantragen. Pro Jahr gab es weniger als 160 Anträge. 2016 endete das Programm mangels Interesse.
Bei jedem Projekt gibt es besondere Hindernisse. Die Lehrlingsvermittlung wird durch unterschiedliche Regeln zur Mindestsicherung erschwert: In einigen Ländern wird die Lehrlingsbezahlung bei der Mindestsicherung angerechnet. Deshalb gibt es für Wiener in der Mindestsicherung keinen Anreiz, wegzugehen.
Der Soziologe August Gächter, der sich viel mit Arbeitsmarktmo- bilität beschäftigt, sieht darüber hinaus weitere Ursachen für die fehlende Beweglichkeit: Für junge Menschen habe der ländliche Raum außer „Arbeit und Spaziergänge“wenig zu bieten. Für Menschen mit Kindern ist die Situation zusätzlich kompliziert.
Gächter hat eine Untersuchung unter Personalchefs im Inntal gemacht und festgestellt, dass viele Tiroler Vorurteile gegen Wiener haben. Schlechte Erfahrungen vor Ort verbreiten sich über soziale Kanäle – und schrecken ab. Für viele Arbeitslose sei es zudem ein Aufwand, in den Westen zu fahren und sich vorzustellen. Wer genommen wird, muss noch ein Probemonat bestehen. Das scheint abzuschrecken. Gächter: „Effektiver wäre es, wenn Arbeitgeber ihre Mitarbeiter im Osten suchen würden um eine Beziehung und Vertrauen aufzubauen.“
Herausforderung 2 und 3: Leistungen und Qualifikation
Aktuell sind 344.000 Menschen arbeitslos gemeldete. Die Zahl der Jobsuchenden geht zwar kräftig zurück. Von den 90.000 neuen Stellen im vergangenen Jahr ging aber weniger als ein Drittel an Arbeitslose. Ein Großteil der neuen Beschäftigten sind Migranten und Personen, die frisch auf den Arbeitsmarkt kommen. Gibt es für Arbeitslose zu wenig Anreiz, um einen Job anzunehmen?
Die türkis-blaue Regierung hat die Abschaffung der Notstandshilfe im Regierungsprogramm vereinbart. Die Notstandshilfe (etwa 50 Prozent vom letzten Nettobe- zug) kann man theoretisch bis zur Pension beziehen. In der Wirtschaftskammer vertritt man die Ansicht, dass dieses Modell viele einlädt, nicht auf Jobsuche zu gehen. Wolfgang Nagel, Arbeitsmarktexperte bei der Agenda Austria, einem unternehmernahen Thinktank plädiert ebenfalls dafür, die Notstandshilfe zu streichen.
Stattdessen soll es länger als bisher ein Arbeitslosengeld geben (maximal drei Jahren). Die Bezüge würden immer niedriger werden und nach einem Jahr deutlich unter das Niveau der aktuellen Notstandshilfe fallen. Belastbare Zahlen dazu, wie viele Menschen keinen Job wollen, obwohl sie arbeiten könnten, gibt es nicht.
Helmut Mahringer vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo sagt, dass andere Faktoren eine wichtigere Rolle spielen. Mahringer verweist auf eine Wifo-Studie die zeigt, dass die intensive Beratung von Arbeitssuchenden effektiver ist als Leistungskürzungen.
Das dritte große Thema sind Qualifikationen. Oft bringen Arbeitssuchenden nicht jene Ausbildung mit, die nachgefragt werden. So ist die Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Pflichtschulabschluss höher als in anderen Gruppen. Die Arbeitnehmer wollen beim Jobgipfel deshalb auf eine Fachkräfte-Offensive bei Jungen drängen. Die Rechnung: 11.300 Arbeitslose unter 25 verfügen nur über Pflichtschulabschluss. Würde man die Hälfte in eine Lehre bekommen, würden die Jobchancen für viele steigen.