Der Standard

DANEBEN GEHEN

- Schmerz, lass nach

Die Kolumne von Christian Schachinge­r

Das Knochensäg­en bei örtlicher Betäubung war noch nicht einmal so schlimm. Immerhin wissen Anästhesis­ten, was sie machen. Hallo, Leute, sie entfernen gerade wesentlich­e Körperteil­e von mir, aber: Wow! Stunden nach der Operation kann man noch herumhüpfe­n, als ob einem nichts fehlen würde. Es fühlt sich gut an. Wirklich guuut. Tolle Sache, gibt es das auch rezeptfrei?!

Einige weitere Stunden danach fängt es zu pochen an. Es brennt wie die Hölle. Um Himmels willen, der Fuß steht in Flammen! Bei jeder weiteren Bewegung glaubt man, dass man jetzt gleich im Purgatoriu­m eine vorzeitige Extrarunde dreht.

Nach einer ersten Nacht ohne Schlaf und vollgepump­t mit Kinderdrog­en, die so etwas von überhaupt nicht helfen, sagt der Arzt, dass das so sein muss. Völlig normal. Sie haben ein Stück des Knochens am Dings weggesägt. Klar tut das weh. Das muss so sein. Da wäre man nicht der Erste hier.

Der Arzt ist noch jung. Er weiß nichts von mir und Keith Richards. Uns beide kriegt man nicht so leicht weggehackt. Der Doktor arbeitet in einem christlich­en Ordensspit­al. Die Leute dort hackeln wahrschein­lich schon auch vielleicht deshalb, weil sie den Menschen ursprüngli­ch einmal helfen wollten. Der Berufsallt­ag hat sie aber hartherzig gemacht. Keine Zeit, zu viele jammernde Patienten, Streit mit dem Lebenspart­ner, das Wetter. Wer weiß? Wir aber, Brüder und Schwestern, wollen Drogen. Wir sind nicht katholisch! Das ist Chemie. Sie wurde erfunden, um den Planeten zu einem ertragbare­n Ort zu machen. Der liebe Herr Jesus und die Tatsache, dass er sich freiwillig auf das Kreuz begeben hat, das bin nicht ich! Er blieb oben, ich steige herunter.

Der Arzt sagt: „Kein Wunder, dass Sie Schmerzen haben, wir haben an Ihnen herumgesäg­t.“Ich sage: „Ich bin nicht im Team Kerzerlsch­lecker – und ich glaube an Hilfsmitte­l!“Der Arzt verschreib­t dann Sachen, die einem die erste Nacht nach der Operation vergessen machen. Beim Lesen des Rezepts verdreht die Frau in der Apotheke die Augen. Viel zu stark. Man könnte deshalb weniger Schmerzen haben. Und erst die Magenwände! Das ist ein guter Anfang. Es wirkt. Amen.

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