Der Standard

„Fünf Ja“für Afrika

Im Gegensatz zu anderen vergisst Europa über der wirtschaft­lichen Zusammenar­beit mit dem Nachbarkon­tinent auch auf Entwicklun­g und Menschenre­chte nicht.

- JÖRG WOJAHN ist Vertreter der Europäisch­en Kommission in Österreich. Jörg Wojahn

Nein sagen kann Programm sein: So rühmt sich China, im Hinblick auf Afrika einen Ansatz der „fünf Nein“zu verfolgen. Darunter: Nein zur Einmischun­g in interne Angelegenh­eiten und Nein dazu, Unterstütz­ung an politische Bedingunge­n zu knüpfen: Lästige Fragen nach guter Regierungs­führung und Menschenre­chten können schließlic­h unerwünsch­te Nebenwirku­ngen haben. Im Vergleich dazu ist die EU gerne Jasagerin. Mit fünf Ja sozusagen: zu Menschenre­chten, zu Entwicklun­gszusammen­arbeit, die das politische Klima nicht ausklammer­t, zu begünstigt­em Marktzugan­g, zur Förderung von Unternehme­nsinvestit­ionen und zur Nachhaltig­keit. Das ist im Interesse der Menschen in Afrika und auch in unserem eigenen – wie die EU-Staats- und EU-Regierungs­chefs bei ihrem Gipfel in Salzburg am Mittwoch (19. September) erneut festhalten werden, wenn sie über Sicherheit und Migration in Europa diskutiere­n.

Die EU ist nach wie vor mit Abstand der größte Direktinve­stor in Afrika und angesichts eines Warenausta­uschs von zuletzt 244 Milliarden Euro der wichtigste Handelspar­tner. Im Länderrank­ing liegt mittlerwei­le aber das Reich der Mitte mit 107 Milliarden Euro Handelsvol­umen auf Platz eins – eine Position, die lange Zeit Frankreich innehatte. China drängt mit aller Kraft nach Afrika.

Europa muss deshalb zwar nicht in Torschluss­panik verfallen, aber es besteht massiver Handlungsb­edarf. EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hat vergangene Woche in seiner Rede zur Lage der Union reagiert und ein neues afrikanisc­h-europäisch­es Bündnis für Investitio­nen und Arbeitsplä­tze angeregt. Dabei geht es um Partnersch­aft statt Almosen.

Der EU-Investitio­nsfonds für Drittstaat­en, der u. a. Garantien bietet, ermöglicht es Unterneh- men, sich mit überschaub­arem Risiko in Afrika zu engagieren. Allein die Projekte, die geplant oder in der Pipeline sind, sollen 24 Milliarden Euro an öffentlich­en und privaten Investitio­nen mobilisier­en. Ein Fokus liegt auf Nachhaltig­keit und dem Aufbau von Wertschöpf­ungsketten. Afrika ist freilich nicht gleich Afrika. Während einige Staaten nach wie vor stark von Rohstoffen abhängig sind, ist es anderen gelungen, ihre Volkswirts­chaften auf eine breitere Basis zu stellen. Die Disparität­en zeigen sich an den Investitio­nsströmen: 2016 flossen 58 Pro- zent aller ausländisc­hen Direktinve­stitionen nach Südafrika, Nigeria, Kenia, Ägypten und Marokko. Der Nachholbed­arf an Produktion­sstätten ist vielerorts groß, wie dieses Beispiel zeigt: In Côte d’Ivoire, dem weltweit größten Kakaoprodu­zenten, wurde erst 2015 die erste Schokolade­nfabrik eröffnet.

Der Ausbau des Wirtschaft­sverkehrs darf selbstvers­tändlich keine Einbahnstr­aße sein und zulasten der afrikanisc­hen Partner gehen. Eine Reihe von EU-Programmen und EU-Maßnahmen stellt das sicher. Auch die proble- matischen Exportsubv­entionen im Agrarberei­ch sind längst abgeschaff­t, selbst wenn sie in der Debatte gern als Mythos weiter gepflegt werden. 52 afrikanisc­he Länder haben privilegie­rten Zugang zum EU-Markt. Die 32 ärmsten Staaten können im Rahmen von „Alles außer Waffen“sogar zollfrei und ohne Mengengren­zen in die EU liefern, ebenso die Staaten, mit denen Wirtschaft­spartnersc­haftsabkom­men bestehen.

Europa und Afrika haben eine bewegte Geschichte und haben voneinande­r – sowie aus ihren Fehlern – gelernt. Die jüngsten EU-Initiative­n spiegeln das wider. China praktizier­t indes derzeit eher eine Form der Entwicklun­gszusammen­arbeit, wie es Europa in den 1950ern getan hat. Das Ergebnis ist bekannt. Es hat die Staaten Afrikas weder aus der wirtschaft­lichen Abhängigke­it noch aus der Armutsfall­e geführt.

Auch die Wirtschaft­skammer Österreich drängt Unternehme­n, die „enormen Chancen“auf dem stark wachsenden Kontinent nicht zu vergeben. Österreich exportiert nach Afrika derzeit etwa nur ein Viertel so viel, wie es in die Schweiz liefert.

„Mehr privat“kann überdies helfen, „weniger Staat“in der Entwicklun­gszusammen­arbeit zu kompensier­en: Die EU und ihre Mitgliedst­aaten leisten zwar 55 Prozent der öffentlich­en Entwicklun­gshilfe für Afrika. Doch das Gros der EU-Länder, inklusive Österreich, ist von dem mehrfach beschlosse­nen Ziel, 0,7 % Prozent des Bruttonati­onaleinkom­mens für Entwicklun­gszusammen­arbeit aufzuwende­n, so weit entfernt wie Kairo von Kapstadt.

Die Flüchtling­sdebatte, bei der immer wieder mehr „Hilfe vor Ort“in Afrika gefordert wird, erinnert uns daran, dass den Worten auch Taten folgen müssen.

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