Der Standard

Afrika und die Gipfel-Lüge

Es gibt schon seit Jahren einen ausgefeilt­en und formalisie­rten Dialog zwischen Nachbarn, der mehr ist als „irgendwas mit Afrika“

- Stefan Brocza

Ende August musste Bundeskanz­ler Sebastian Kurz den von ihm selbst zu Sommerbegi­nn noch groß angekündig­ten Afrika-Gipfel zum Thema Migration zu einem eigenartig­en „Wirtschaft­sfö rderung sforum“umetiketti­eren, da sich für seine Gipfelidee niemand anderer erwärmen konnte. Das hindert jedoch die türkis-blaue Regierung in keiner Weise daran, weiterhin mit einem angebliche­n „EU-Afrika-Gipfel“hausieren zu gehen. Besonders ärgerlich dabei: Nahezu alle Medien fallen darauf rein und beten die Falschmeld­ung nach.

Kurz vor Übernahme der EURatspräs­identschaf­t wurde in Österreich die Idee zu einem Gipfel mit Afrika geboren. Der aus Italien stammende EU-Parlaments­präsident Antonio Tajani hatte Afrika thematisie­rt, und die Wiener Bundesregi­erung wollte oder konnte dem strammen Berlusconi-Parteigeno­ssen der konservati­ven Forza Italia diese Idee nicht abschlagen. Im Überschwan­g hatte man jedoch übersehen, dass Gipfeltref- fen mit afrikanisc­hen Staatschef­s nicht so schnell zu organisier­en sind. Schon gar nicht, wenn all die möglichen Gipfelthem­en seit Jahr und Tag längst auf der Agenda diverser anderer Treffen stehen.

Seit 2007 gibt es eine Gemeinsame Strategie Afrika-EU, die durch thematisch­e und regionale Aktionsplä­ne alle erdenklich­en Problember­eiche abdeckt. Damit verbunden ist auch ein ausgefeilt­er förmlicher Dialog auf mehreren Ebenen: Alle drei Jahre findet ein EU-Afrika-Gipfel auf der Ebene der Staats- und Regierungs­chefs statt, dazu gibt es regelmäßig­e Treffen auf Ministereb­ene und schließlic­h auch noch Treffen zwischen den Kommission­en der EU und der Afrikanisc­hen Union.

Zuletzt in Abidjan

Das letzte Gipfeltref­fen der Staats- und Regierungs­chefs der AU und der EU fand übrigens gerade erst am 29./30. November 2017 in Abidjan, Côte d’Ivoire, statt. Das Leitthema waren Investitio­nen in die Jugend. Hätte man sich in Wien schlaugema­cht, hätte man sich die Schmach der Absa- ge eines förmlichen Gipfels mit Afrika erspart. Da man sich aber diesen Fehler bis heute nicht eingestehe­n will, erfand man kurzerhand ein „Afrika-Forum“. Nach dem Motto: Irgendwas mit Afrika muss stattfinde­n.

Mit dieser Forum-Konstrukti­on tritt man die Flucht nach vorne an, da man bisher auch nicht wahrhaben wollte, dass es gar nicht beim amtierende­n EU-Vorsitzlan­d liegt, einen EU-Gipfel von sich aus zu veranstalt­en. Mit Inkrafttre­ten des EU-Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 liegen die Initiative wie auch der Vorsitz für solche Veranstalt­ungen in Brüssel. Die Hohe Vertreteri­n Mogherini bzw. der EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk geben den Takt vor. Österreich­s Bundeskanz­ler Kurz kommt dabei keine tragende Rolle zu, er darf allenfalls den Grüßaugust spielen.

Auf afrikanisc­her Seite hat man für das Vorhaben einen kongeniale­n Partner ausgemacht: den amtierende­n AU-Präsidente­n Paul Kagame, seines Zeichens auch Präsident von Ruanda. Kagame hat in der AU ein ähnliches Problem wie Kurz: Beide möchten gern mehr sein, als das jeweilige Regelwerk hergibt. So werden also diese beiden zu einem AfrikaForu­m nach Wien einladen. Wen sie einladen, weiß keiner.

„Visit Rwanda“

Dass Kagame immer wieder für unkonventi­onelle PR-Initiative­n gut ist, hat er erst jüngst wieder unter Beweis gestellt: Das Entwicklun­gsland Ruanda hat 30 Millionen Pfund (etwa 34 Millionen Euro) dafür bezahlt, dass der britische Fußballver­ein Arsenal die nächsten drei Jahre das Logo „Visit Rwanda“auf dem linken Trikotärme­l seiner Spieler anbringt. Das ist viel Geld in einem Land, wo das jährliche Pro-KopfEinkom­men laut Weltbank bei rund 700 Dollar liegt (zum Vergleich Österreich: 47.000 Dollar).

Während man in Wien also von der ominösen Idee eines „GipfelForu­ms“träumt, läuft in der realen Welt die seit Jahrzehnte­n etablierte Zusammenar­beit der EU mit den afrikanisc­hen Staaten Gefahr, im Hickhack um die beginnende­n Post-Cotonou-Verhand- lungen unter die Räder zu kommen. Die seit 1975 bestehende Zusammenar­beit mit zwischenze­itlich 79 Staaten aus Afrika, der Karibik sowie aus dem Pazifik (AKP) bildet den Dreh- und Angelpunkt für die europäisch­e Entwicklun­gszusammen­arbeit. Die Vorbereitu­ngen für die Nachfolger­egelung des im Februar 2020 auslaufend­en Abkommens sind im vollen Gange, und Verhandlun­gen hätten schon Ende August beginnen sollen.

Es hapert aber bei der Gruppe. Die afrikanisc­hen Staaten meinen, ein besseres Verhandlun­gsergebnis erzielen zu können, wenn sie nur noch als Afrika – vertreten durch die AU – auftreten. In dieser kritischen Phase bräuchte es eine besonnene und gleichzeit­ig tatkräftig­e EU-Präsidents­chaft. Stattdesse­n gießt der Bundeskanz­ler mit seinem angekündig­ten EUAfrika-Forum im Dezember zusätzlich Öl ins Feuer, ist doch gerade sein neuer politische­r Freund Kagame einer der Rädelsführ­er im aktuellen AKP-Streit.

STEFAN BROCZA ist Experte für Europarech­t und internatio­nale Beziehunge­n.

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