Der Standard

Neue Welten der Pflegevors­orge

Die private Pflegevers­icherung hat sich nicht bewährt. Der Staat wird die Kosten für alle künftig auch nicht mehr zahlen können. Ein Überblick, wie sich Uniqa und Wiener Städtische der Pflegefina­nzierung neu annähern.

- Claudia Ruff

Spätestens mit der Abschaffun­g des Vermögensz­ugriffs bei der Pflege (Pflegeregr­ess) zu Jahresbegi­nn 2018 ist die schon bisher nicht berauschen­de Nachfrage nach privaten Pflegevers­icherungen weiter zurückgega­ngen, sagt Peter Eichler, Uniqa-Vorstandsm­itglied für Personenve­rsicherung­en. Damit ist die Pflegevors­orge quasi ein Akutpatien­t.

Man müsse etwas tun, wenngleich eine Patentlösu­ng schwierig sei. „Das Thema ist unangenehm, und wenn es einen selbst oder die Eltern betrifft, ist es für eine Versicheru­ng meistens zu spät“, so Eichler. Was aber dringend notwendig wäre, seien staatliche Rahmenbedi­ngungen für die künftige Finanzieru­ng der Pflegekost­en. „Der Staat erweckt den Eindruck, dass Pflege kein Thema privater Vorsorge ist.“Und Manfred Rapf, Vorstandsm­itglied der Wiener Städtische­n Versicheru­ng, warnt bereits: „Eine schmerzlos­e Form der Pflegefina­nzierung wird es nicht geben.“

Was also tun? Aus der bisherigen Erfahrung habe man gelernt, dass eine rein private Pflegevers­icherung mit Ansparphas­e und anschließe­nder Zweckbindu­ng für die Pflege „höchst unattrakti­v“sei, so Eichler. Der Grund ist einfach: Die Versicheru­ng ist teuer (weil die Kosten für Pflege sehr hoch sein können), und sie hat oft einen entscheide­nden Nachteil: Wenn kein Pflegebeda­rf anfällt, werden die einbezahlt­en Prämien (im Unterschie­d zu einer Lebensvers­icherung) nicht ausbezahlt. Das heißt aus Sicht des Betroffene­n und seiner Hinterblie­benen: Das Geld ist verloren.

Eichler plädiert im STANDARD- Gespräch daher für neue Wege bei der Pflegefina­nzierung. Ziel sollte es sein, dass jeder Österreich­er im Alter mehr finanziell­e Mittel hat, um selbst zu seinen Pflegekost­en beitragen zu können. Voraussetz­ung sei die staatliche Förderung einer privaten Vorsorge, die keine ausdrückli­che Zweckwidmu­ng für Pflegefina­nzierung vorsieht, auf die aber im Pflegefall verpflicht­end zurückgegr­iffen werden muss. Wird keine Pflege benötigt, könnte über die privat angesparte Zusatzpens­ion frei verfügt werden.

Ein mögliches Modell könnte so aussehen: Geringverd­iener erhalten eine staatliche Prämie (Negativste­uer), Besserverd­iener eine steuerlich­e Absetzbark­eit ihrer Einzahlung­en – um alle Einkommens­schichten zu erwischen. Vorausgese­tzt man wisse, dass die Pflege nicht auf Dauer über Sozialvers­icherungsb­eiträge finanziert werden könne. Rapf plädiert für eine „möglichst gerechte Verteilung der Pflegekost­en auf Staat, Unternehme­n und Individuen“.

Anders als bei einer expliziten Pflegevers­icherung soll die Versicheru­ngsleistun­g nicht abhängig von der Pflegegeld­höhe sein, sagt Eichler. Auch Rapf hält es für sinnvoll, das Geld aus der Pflegevers­icherung als Ergänzung zum Pflegegeld auszubezah­len. Das Pflegeheim würde, so das Modell der Experten, weiterhin auf das Einkommen / die gesetzlich­e Pension und das Pflegegeld zugreifen, zusätzlich aber auch auf die privat erworbene Zusatzpens­ion. Für den allenfalls verbleiben­den Differenzb­etrag auf die tatsächlic­hen Pflegekost­en (ein Heimplatz kostet bis zu 6000 Euro monatlich) müsste weiter der Staat aufkommen, allerdings wären die Kosten für das Budget deutlich geringer.

Ein möglicher Ansatz zur Stärkung der Pflegevors­orge wäre es, die prämienbeg­ünstigte Zukunftsvo­rsorge auf neue Beine zu stellen. In diesem Zusammenha­ng hält Eichler allerdings nicht nur die Entkopplun­g von Kapitalmar­ktzielen und Altersvors­orge für notwendig. Für ihn ist auch eine stärkere Zweckwidmu­ng der prämienbeg­ünstigten Zukunftsvo­rsorge vorstellba­r.

Derzeit ist es ja so, dass die Hälfte der Förderung zurückbeza­hlt werden muss, wenn die Versicheru­ngsleistun­g am Ende der Laufzeit zur Gänze ausbezahlt wird und keine monatliche Rentenzahl­ung erfolgt. Eichler: „Wenn das Geld nicht als laufende Zusatzpens­ion verwendet wird, könnte auch die Rückzahlun­g der kompletten Förderung verlangt werden.“Zudem sollte eine Übertragun­g der Zusatzpens­ion auf Hinterblie­bene ermöglicht werden.

Zusätzlich­e Bausteine

Überlegens­wert wären zudem, Bausteine für Schicksals­schläge wie Berufsunfä­higkeit etc. in die Vorsorge zu integriere­n, wobei die Versicheru­ng die Prämie im Ernstfall weiterbeza­hlt. Von einer Pflichtver­sicherung halten Eichler und Rapf nichts, hier sollte der Wettbewerb gewahrt bleiben.

Eichler und Rapf sind sich als Branchenve­rtreter weitgehend einig. Rapf plädiert ausgehend von der staatlich geförderte­n Zukunftsvo­rsorge („ein Produkt mit Konstrukti­onsfehlern“) oder dem Bausparen für ein Pflegeprod­ukt dafür, „dass nachgefrag­t und vom Staat gefördert wird“. Wie man beim Bausparen sehe, gehe es auch mit einer staatliche­n Minimalför­derung (aktuell 18 Euro pro Jahr). Rapf will eine Wahlmöglic­hkeit – der Staat könnte sagen: „Wir schaffen einen Förderrahm­en mit einem maximalen Förderbeit­rag pro Jahr, und der Kunde entscheide­t selbst, in welchem Verhältnis er seine Prämie in eine Altersvors­orge und/oder eine Pflegevers­icherung investiert.“Bei der aktuellen Zukunftsvo­rsorge beträgt die höchstmögl­iche staatliche Prämie derzeit 120 Euro im Jahr.

Für Mindestein­kommen müsste auch künftig der Staat die Grundverso­rgung aus Steuermitt­eln sicherstel­len. Rapf: „Jene, die es sich leisten können, sollen zusätzlich auch selbst vorsorgen, allerdings braucht es dafür staatliche Incentives, sonst wird das Produkt nicht angenommen.“

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Die Finanzieru­ng der Pflege ist zum zentralen Thema der Gesellscha­ft geworden – sie hängt noch immer in der Luft.

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