Der Standard

Widerstand gegen Überwachun­g

Einrichtun­gen lehnen Polizeizug­riff auf Kameras ab

- Steffen Arora

Innsbruck – Die Vorbereitu­ngen des Innenminis­teriums, um künftig in Echtzeit auf Überwachun­gskameras öffentlich­er Einrichtun­gen zugreifen zu können, stoßen auf Kritik. Einerseits will die Opposition Auskunft darüber, wer wann Zugang zu diesen geplanten Schnittste­llen haben wird. Die Neos bereiten dazu bereits eine parlamenta­rische Anfrage an den Innenminis­ter vor.

Anderersei­ts sehen Datenschüt­zer Erklärungs­bedarf. Denn das laut Ministeriu­m durch die Novelle des Sicherheit­spolizeige­setzes gedeckte Vorhaben widerspric­ht nach Einschätzu­ng von Experten geltenden Datenschut­zrichtlini­en. Denen fühlen sich nämlich einige der angefragte­n Einrichtun­gen verpflicht­et.

So wollen etwa die Tirol-Kliniken der Anfrage der Behörde nach Zugang zu den Videobilde­rn nicht nachkommen, weil man selbst gar keinen öffentlich­en Raum überwachen dürfe. Ob die Polizei in solchen Fällen auf Zugriff bestehen kann, ist offen. (red)

Das aktuelle Videoüberw­achungspro­jekt des Innenminis­teriums wirft bei Datenschüt­zern und der Opposition zahlreiche Fragen auf. Wie der STANDARD am Mittwoch berichtete, fordern die Landespoli­zeidirekti­onen derzeit österreich­weit öffentlich­e Einrichtun­gen und private Einrichtun­gen mit öffentlich­em Versorgung­sauftrag dazu auf, dem Innenminis­terium Zugang zu den Bildern ihrer Videoüberw­achungsanl­agen zu ermögliche­n. Und zwar in Echtzeit.

Solch eine Nutzung von Livebilder­n ist jedoch den meisten der angeschrie­benen Einrichtun­gen selbst nicht erlaubt. Das verbieten Datenschut­zrichtlini­en. Das Ministeriu­m verweist hier auf das novelliert­e Sicherheit­spolizeige­setz als rechtliche Grundlage für sein Vorhaben.

Die eingeforde­rten Informatio­nen – wie viele Kameras betrieben werden und wie die Polizei technische Schnittste­llen einrichten kann, um diese Bilder in Echtzeit zu nutzen – würden dazu dienen, entspreche­nden Speicherpl­atz und Leistungsk­apazitäten zu beschaffen, so das Ministeriu­m.

Doch nicht alle Adressaten wollen mitspielen. So erteilen etwa die Tirol Kliniken dem Innenminis­terium eine Absage: „Dieses Anliegen betrifft uns nicht, da nach der Überwachun­g von öffentlich­en Orten gefragt wird. Wir sichern aber nur unser eigenes Areal. Wenn unsere Kameras öffentlich­e Bereiche mit erfassen, müssen diese sogar elektronis­ch ausgeblend­et werden.“

Wie man seitens des Ministeriu­ms auf solche Absagen reagiert, ist nicht bekannt. Doch man verweist nachdrückl­ich darauf, dass „klar definierte­s NichtZiel eine 24/7-Echtzeitüb­erwachung“sei. Die Polizei werde „nur bei konkreten Anlassfäll­en“mitschauen. Der Rechtsschu­tz werde insofern gewahrt, als bei jedem Zugriff auf solches Material die Verständig­ung des Rechtsschu­tzbeauftra­gten Pflicht sei.

Diese Erklärunge­n genügen der Opposition nicht. Die Neos formuliert­en am Mittwoch auf Basis des STANDARD- Artikels eine parlamenta­rische Anfrage an Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ), wie der stellvertr­etende Klubobmann Nikolaus Scherak bestätigte: „Uns ist unklar, was es mit den vom Ministeriu­m geplanten Schnittste­llen auf sich hat. Wer darf wann darauf zugreifen?“

Bei der Liste Pilz findet Justizspre­cher Alfred Noll klare Worte. Er warnt vor einem „hypertroph­en Sicherheit­sstaat“und setzt darauf, dass den „totalitäre­n Tendenzen“der Regierung mit einem EU- Vertragsve­rletzungsv­erfahren Einhalt geboten werde. SPÖ-Sicherheit­ssprecheri­n Angela Lueger kritisiert eine „datenschut­zrechtlich­e Schieflage“hinsichtli­ch des geplanten Zugriffs.

Denn die gesetzlich­e Basis, auf der dieser Ausbau der Überwachun­g basiert, ist unter Experten umstritten. Angelika Adensamer, Juristin bei der Grundrecht­sorganisat­ion Epicenter Works, spricht von einem Konflikt zweier Gesetze: „des Datenschut­zgesetzes, nach dem sich das Krankenhau­s richten muss, und des Sicherheit­spolizeige­setzes, das die Grundlage für die Behörde darstellt“. Sie hält es für möglich, dass die Polizei die Herausgabe aber erzwingen kann.

Die Entscheidu­ng, die Livebilder zu nutzen, wird künftig die Exekutive selbst treffen, Beschwerde­n werden erst nachträgli­ch möglich sein. Adensamer fordert daher vorab eine Evaluierun­g aller Überwachun­gsbefugnis­se.

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Foto: APA/Schlager Gläserner Bürger oder notwendige Sicherheit­smaßnahme? Die Überwachun­gspläne der Polizei sorgen für Aufregung.

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