Der Standard

SPD-Chefin unter Druck

Die Beförderun­g des deutschen Verfassung­sschützers Hans-Georg Maaßen zum Innenstaat­ssekretär und der gleichzeit­ige Rauswurf eines SPD-Mannes sorgen in der SPD für Entsetzen. Parteichef­in Nahles gerät unter Druck.

- Birgit Baumann aus Berlin

Über die Beförderun­g des deutschen Verfassung­sschützers Maaßen zum Innenstaat­ssekretär zeigt sich die SPD entsetzt.

Was haben die denn bei ihrer Krisensitz­ung gesoffen?“So äußerte der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Florian Post via Twitter sein Entsetzen über jene Personalen­tscheidung, die für ungläubige­s Kopfschütt­eln im politische­n Berlin sorgt. Und Post, der auch von einem „Witz“und einem „Schmierent­heater“sprach, bringt damit die Stimmung in der SPD recht gut auf den Punkt.

Von Parteichef­in Andrea Nahles abwärts hatten in den vergangene­n Tagen viele auf die Ablösung von Hans-Georg Maaßen als Chef des deutschen Verfassung­sschutzamt­es gedrängt. Maaßen war wegen seiner Aussagen, es habe im sächsische­n Chemnitz nach der Tötung eines Deutschen keine Hetzjagden auf Ausländer gegeben, unter Druck geraten. Auch werfen ihm viele zu große Nähe zur AfD vor. Doch Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU), dem das Amt für Verfassung­sschutz unterstell­t ist, wollte an Maaßen festhalten.

Nach einem Krisengesp­räch am Dienstagab­end zwischen Kanzlerin Angela Merkel, Seehofer und Nahles fand sich dann eine Lösung: Maaßen wurde nach oben befördert. Er wechselt vom Amt des Verfassung­sschutzes zu Seehofer ins Ministeriu­m und wird dort Staatssekr­etär für Innere Sicherheit und Cybersiche­rheit, was einen Anstieg beim Grundgehal­t von 11.000 auf 14.000 Euro zur Folge hat.

Maaßen bald Bundeskanz­ler

„Hochgeschl­afen war gestern. Heute wird man hochentlas­sen“, kommentier­te das ARD-SatireMaga­zin Extra 3. Viel Zustimmung fand im Netz auch dieser Satz: „Noch zwei Fehltritte und Maaßen ist Bundeskanz­ler.“

Ähnlich sieht es Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel. „Das ist doch irre“, sagt er. „Wenn Illoyalitä­t und Unfähigkei­t im Amt jetzt mit Karrieresp­rüngen belohnt werden, dann hat Horst Seehofer die Chance, noch UN-Generalsek­retär zu werden.“

Und es gibt noch eine weitere Personalen­tscheidung, die für Entsetzen sorgt. Am Mittwoch nämlich erklärte Seehofer, dass er nicht gedenke, die Riege seiner Staatssekr­etäre aufzublase­n. Das bedeutet: Ein bisheriger Staatssekr­etär muss gehen. Es trifft den SPD-Mann Gunther Adler, bislang Staatssekr­etär für Wohnen und Bauen. Seehofer versetzt den 55-Jährigen in den einstweili­gen Ruhestand.

Seehofer betont, dass bei dem Krisengesp­räch alle drei Beteiligte­n – also er, Nahles und Merkel – darüber informiert gewesen seien. „Es war alles niedergesc­hrieben. Alle Folgeprobl­eme sind bekannt gewesen und so besprochen worden. Es kann niemand sagen, dass nicht klar über alle Folgen einer bestimmten Entscheidu­ng gesprochen wurde.“Auch in der SPD hieß es am Mittwoch: Ja, das sei so besprochen worden.

Die Deutsche Presse-Agentur (DPA) zitiert aus einer internen Sprachrege­lung, die führende Sozialdemo­kraten in den Medien gebrauchen sollen. Darin heißt es wörtlich: „Wir haben gesagt, dass Herr Maaßen als Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz nicht mehr tragbar ist. (...) Die SPD hat sich durchgeset­zt. (...) Wie Herr Seehofer sein Ministeriu­m besetzt, liegt in seiner Verantwort­ung.“

Mittelfing­er von Seehofer

Doch damit wollen sich viele in der SPD nicht abspeisen lassen. „Seehofer zeigt der Kanzlerin, den Koalitions­partnern und letztendli­ch der gesamten Öffentlich­keit den Mittelfing­er“, sagt Juso-Chef Kevin Kühnert und betont, dass noch schlimmer als die MaaßenEnts­cheidung die „Schönreder­ei und die billigen Durchhalte­parolen“der SPD seien.

SPD-Vizechefin Natascha Kohnen, die Spitzenkan­didatin für die Bayern-Wahl am 14. Oktober ist, fordert von den SPD-Kabinettsm­itgliedern, die Personalen­tscheidung Seehofers nicht mitzutrage­n. Dem schloss sich die Parteilink­e Hilde Mattheis an.

Für Parteivize Ralf Stegner ist die Causa Maaßen ein „Desaster“. Er stellte klar: „Der Geduldsfad­en mit dieser großen Koalition ist in der SPD extrem dünn geworden. Mit Seehofer und seinen Eskapaden haben wir uns die Pest an Bord geholt.“

Am Sonntag will die SPD-Führung die verfahrene Lage besprechen. Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) hat erklärt, er „hoffe sehr“, dass die Koalition noch zu retten ist.

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CSU-Chef und Innenminis­ter Horst Seehofer vereinbart­e mit SPD-Chefin Andrea Nahles Personalen­tscheidung­en, die den Sozialdemo­kraten schwer im Magen liegen.

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