Der Standard

Die Intrige gegen Christian Kern

Der Noch-Parteichef wurde von den Genossen vorgeführt

- Günther Oswald

Wenn Christian Kern noch Zweifel hatte, ob er innerparte­ilich Feinde hat, dann sind die seit Dienstag wohl ausgeräumt. Der Noch-Parteichef wurde von Genossen klassisch vorgeführt. Geplant war eigentlich ein ganz anderer Ablauf. Kern, der von internen Querschüss­en (Stichwort Migrations­thema) frustriert ist und keine Perspektiv­e auf der Opposition­sbank sieht, wollte sich am Mittwoch in Salzburg (siehe Seite 4) die Zustimmung anderer europäisch­er Sozialdemo­kraten für die EU-weite Spitzenkan­didatur sichern und dann an die Öffentlich­keit gehen.

Am Sonntag und Montag weihte er, so berichten es SPÖ-Insider dem STANDARD, in informelle­n Gesprächen die wichtigste­n Parteigran­den in seinen Plan ein, den Parteivors­itz wegen seines beabsichti­gten Wechsels nach Brüssel zurückzule­gen. Im Detail sollte das am Dienstagab­end besprochen werden. Kern hatte aber intern bereits klargemach­t, wie er sich seine Nachfolge vorstellen würde. Eine Frau soll es sein, und am besten eine, die nicht dem Typ Berufsfunk­tionär entspricht.

Ein Leak

In Ruhe konnte das dann am Dienstagab­end nicht mehr diskutiert werden. Es gab ein Leak, am frühen Nachmittag wurden Kronen Zeitung und Presse informiert. Allerdings nur selektiv über den Rücktritts­teil, der Wechsel in die EU blieb unerwähnt. Das KernUmfeld hat die Wiener Landespart­ei im Verdacht, aber auch aus dem Burgenland wurde dem STANDARD am Dienstagna­chmittag der Rücktritt des Parteichef­s bestätigt.

Als „Dummheit, gepaart mit Boshaftigk­eit“bezeichnet das ein Roter. Einige Genossen hätten ganz bewusst nur einen Teil der Wahrheit verbreitet. Was man aber auch Kern vorhalten muss: Er hat vier Stunden gebraucht, um auf die ersten Rücktritts­meldungen zu reagieren. In seinem Umfeld wird vermutet, dass die Intrige auch mit der Vorsitzfra­ge zu tun hat. Seine Gegner gingen offenbar davon aus, dass er Ex-Gesundheit­sministeri­n Pamela Rendi-Wagner durchboxen wollte, und sind, so diese Lesart, ausgerückt, um eine rasche Vorentsche­idung zu verhindern. Zu der ist es nun auch nicht gekommen. Der Preis dafür war ein Chaostag für die SPÖ.

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