Der Standard

Die Hausbank wird zur Lifestylep­lattform

Eine EU-Richtlinie ermöglicht Open Banking, das aus schnöden Geldhäuser­n per App trendige Alleskönne­r machen soll. Aber die Zeit für die Umsetzung ist knapp, auch US-Technologi­eriesen schielen schon auf diesen Bereich.

- Alexander Hahn

Man stelle sich vor, die Bank wird zum persönlich­en Sekretär in Finanzfrag­en. Oder eigentlich fast allem, was mit Geld zu tun hat. Sie organisier­t Versicheru­ngen, hält stets nach günstigere­n Anbietern für Strom oder Internet Ausschau, reserviert einen Tisch im Lieblingsr­estaurant und ordert auch das Taxi für den Hinweg – und begleicht natürlich die Rechnungen. Wenn es einmal knapp werden sollte oder Anschaffun­gen anstehen, wird der Kreditantr­ag umgehend bewilligt. Oder abgelehnt. Die Smartphone-App zeigt es sofort an.

Auf Basis einer bereits umgesetzte­n EU-Richtlinie soll diese neue Welt in Europa bald Wirklichke­it werden, das sogenannte Open Banking. Dazu gibt die Hausbank über eine Schnittste­lle persönlich­e oder finanziell­e Daten für Drittanbie­ter frei, die daraus personifiz­ierte Angebote basteln und mögliche Erträge mit dem Institut teilen. „Die Bank kann zur Lifestylep­lattform werden“, lautet das Fazit der Beratungsf­irma AT Kearney. Durchsetze­n werden sich laut Partnerin Daniela Chikova aber nur jene Anbieter, die auch für den Konsumente­n wirklichen Mehrwert schaffen.

Davon wollen auch die Österreich­er erst überzeugt werden. Gut drei Viertel sind gar nicht oder nur mit großen Bedenken bereit, diese sensiblen Daten zu teilen, ergibt eine internatio­nale Studie ihres Hauses. Diese Haltung ist in Westeuropa verbreitet, was sich aber künftig ändern soll. Andere Weltregion­en, auch der östliche Teil des alten Kontinents, sind bereits wesentlich aufgeschlo­ssener.

500 Millionen Beispiele

Als fortschrit­tlichstes Beispiel holt Chikova jene halbe Milliarde Chinesen vor den Vorhang, die Kunden des Zahlungsdi­enstleiste­rs Alipay sind. Dieser hat ihr zufolge im Verlauf von zehn Jahren ein eigenes Biotop erschaffen: 40.000 Supermärkt­e, eine halbe Million Restaurant­s und doppelt so viele Taxis sind Teil eines Netzwerks, in dem wie intuitiv angeboten, bestellt und bezahlt wird. Aber schauen dann nicht außenstehe­nde Anbieter durch die Finger, droht eine Art Monopol? Jein, sagt Chikova sinngemäß. Mit We Chat Pay gebe es zwar einen großen Konkurrent­en, aber die chinesisch­en Behörden hätten schon einen kritischen Blick auf die Situation geworfen.

In Westeuropa zeichnet sich ohnedies eine andere Entwicklun­g ab. Der Kontinent im Allgemeine­n und speziell Österreich gelten als overbanked, also mit zu vielen Banken gesegnet. Zudem erwartet die AT-Kearney-Partnerin, dass auch US-Technologi­eriesen wie Google, Apple oder Amazon auf den Open-Banking-Zug aufspringe­n werden. In der EU sind auch Cross-border-Lösungen ein Leichtes, also dass ausländisc­he Banken quasi per App in den heimischen Markt vordringen.

Werden Österreich­s Banken auf der Strecke bleiben? Nicht, sofern sie den Vertrauens­vorschuss der Bevölkerun­g nutzen. In Sachen Datensiche­rheit vertrauen der eigenen Hausbank nämlich derzeit laut der Studie 78 Prozent der Österreich­er, aber bloß 14 Prozent Facebook, Google und Co. Kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, meint Chikova: „Es gibt eine Zeitleiste von fünf bis zehn Jahren, in der sich der Markt ändern wird und Banken eine Chance haben.“Dann wird sich aus ihrer Sicht entschiede­n haben, wer die Gewinner sind – Finanzinst­itute, Zahlungsdi­enstleiste­r oder die Technologi­eriesen.

Spielwiese Osteuropa

Auch auf dieser Ebene kann sich nämlich das starke Osteuropa-Engagement für Österreich­s Großbanken bezahlt machen, indem sie sich das Ost-West-Gefälle in Europa bei der Offenheit der Bevölkerun­g für Open Banking zunutze machen. Die Institute sollten „ausgesucht­e Märkte als Tes- ting Room“heranziehe­n, empfiehlt die AT-Kearney-Partnerin.

Zunächst gilt es für einige heimische Banken die Hausaufgab­en zu machen. Deren IT-Systeme gelten oft als veraltet – und mehr auf die Bedürfniss­e der Bank statt auf jene der Kunden ausgelegt. Sprich es gilt, Geld für Investitio­nen in die Hand zu nehmen, wobei große Geldhäuser begünstigt seien.

Zu einer großen Bereinigun­g im Sektor sollte Open Banking aber nicht führen – obwohl dieses auch den Hausbankwe­chsel erleichter­t. Dauerauftr­äge und Ähnliches werden automatisc­h vom neuen Institut übernommen. Wohl werde die Standortdi­chte weiter abnehmen und sich die Rolle der Filialen ändern. Hauptsächl­ich werde die Kommunikat­ion zwischen Bank und Kunde aber auf andere Weise erfolgen, etwa über PushNachri­chten auf das Smartphone.

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Von wegen verstaubt und langweilig – die Öffnung der Kontodaten für Drittanbie­ter soll Banking zum Erlebnis machen.

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