Der Standard

Als in Wackersdor­f die Zivilgesel­lschaft erwachte

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Mit oder ohne Haut, mit oder ohne Petersilie­nsud, jedenfalls aber immer nur vormittags: Weißwurst-Fauxpas darf man sich in der bayerische­n Politik nicht leisten. Der rote Landrat Hans Schuierer (Johannes Zeiler) kriegt bei der Jause mit dem Umweltmini­ster (Sigi Zimmerschi­ed) Fracksause­n. Jeder falsche Schnitt in die Wurst besiegelt das Machtgefäl­le. Denn der Landkreis Schwandorf soll, bittschön, eine nukleare Wiederaufb­ereitungsa­nlage in Empfang nehmen. Das bringt Jobs.

Was dem SPD-Politiker anfangs noch sinnvoll erscheint, treibt ihn nach genauem Studium der Atomgefahr aber auf die Barrikaden gegen die Münchner Regierung.

Oliver Haffner inszeniert im Spielfilm Wackersdor­f die von einer breiten Bevölkerun­gsfront geführte, historisch­e Protestbew­egung der Jahre 1985 bis 1989. Kernthemen des Films sind Mündigkeit, Aufbegehre­n, Widerstand, Beharrlich­keit und Mut, sich gegen die Opportunis­ten der eigenen Partei zu stellen. Haffner kostet Stimmungsb­ilder wie jene Weißwurstj­ause aus und setzt die 1980erWelt sinnlich ins Bild (Wählscheib­entelefone, enge, verrauchte Wohnzimmer, alte MercedesLi­mousinen, Mikrofiche-Archive). Er fiktionali­siert das historisch­e Geschehen, um es identifika­torischer und dramatisch­er erzählen zu können. Klappt gut. (afze)

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Der Kommunalpo­litiker (Johannes Zeiler) rebelliert gegen München.

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