Der Standard

Die Chinesen kommen

Weil täglich tausende Touristen die malerische Kulisse Hallstatts schätzen, ist vielen Bewohnern die Lust an der Idylle vergangen: Die Massen ziehen einen Graben durch den Ort – zu sehen in der ORF-Reihe „Am Schauplatz“.

- Oliver Mark

Menschenma­ssen zwängen sich durch die einzige Straße des Ortes. Das Zentrum ist teilweise schon so verstopft, dass die Bewohner einen weiten Bogen herum machen: Willkommen in Hallstatt im Salzkammer­gut, jener malerische­n 780-Seelen-Ortschaft, die von Touristen überschwem­mt wird. An Spitzentag­en kommen bis zu 10.000 von ihnen, um einen Hauch der Idylle einzuatmen, die vielen Einheimisc­hen bereits abhandenge­kommen ist – außer den Profiteure­n des Massentour­ismus.

„Die Stimmung ist sehr unterschie­dlich. Bei denen, die gut am Tourismus verdienen, ist sie durchaus euphorisch. Der Großteil der Bevölkerun­g ist aber sehr frustriert“, sagt ORF-Redakteuri­n Julia Kovarik, die für ihre Reportage Am Schauplatz: Die Chinesen kommen in Hallstatt gedreht hat. Zu sehen ist sie heute, Donnerstag, um 21.05 Uhr in ORF 2.

An den Nerven zehrten vor allem die ständigen Störungen, die durch den Lärmpegel, das Fotografie­ren und das Eindringen in die Privatsphä­re entstehen: „Es wird sehr viel fotografie­rt. Vor allem mit Selfiestic­ks und Drohnen.“

Busse voller Touristen

Eine Hallstätte­rin meinte gar: „Wir haben uns von gastfreund­lichen Menschen zu aggressive­n Menschenfe­inden entwickelt“, erzählt Kovarik dem STANDARD.

Für den größten Ärger sorgen vor allem die Tagestouri­sten, die mit dem Reisebus kommen, nur wenige Stunden bleiben und fast nichts konsumiere­n. Das seien überwiegen­d Asiaten, meist Chinesen: „Aber nicht nur, sondern auch Taiwanesen, Japaner, Südkoreane­r, Thailänder“, sagt Kovarik. In der chinesisch­en Provinz Guangdong wurde vor ein paar Jahren sogar eine Hallstatt-Kopie gebaut. Mit Folgen, denn: „Eine Menge Touristen scheint zu glauben, dass Hallstatt ein großes Freilichtm­useum ist, was dazu führt, dass sie manchmal bis ins Wohnzimmer kommen.“

Bei ihrer Reportage stieß die Sendungsma­cherin auf ambivalent­e Reaktionen. Viele Anrainer seien froh gewesen, dass sich endlich jemand für sie interessie­re, auf der anderen Seite trauten sich einige nicht, ihren Unmut vor der Kamera zu artikulier­en, aus Angst, sich die Zunge zu verbrennen: „Sie wollen es sich mit niemandem verscherze­n. Schließlic­h kennt jeder auch jemanden, der am Tourismus verdient“, so Kovarik.

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Ja-Sagen ist in Hallstatt beliebt. Viele Bewohner würden zu den Massentour­isten lieber Nein sagen.

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