Die Chinesen kommen
Weil täglich tausende Touristen die malerische Kulisse Hallstatts schätzen, ist vielen Bewohnern die Lust an der Idylle vergangen: Die Massen ziehen einen Graben durch den Ort – zu sehen in der ORF-Reihe „Am Schauplatz“.
Menschenmassen zwängen sich durch die einzige Straße des Ortes. Das Zentrum ist teilweise schon so verstopft, dass die Bewohner einen weiten Bogen herum machen: Willkommen in Hallstatt im Salzkammergut, jener malerischen 780-Seelen-Ortschaft, die von Touristen überschwemmt wird. An Spitzentagen kommen bis zu 10.000 von ihnen, um einen Hauch der Idylle einzuatmen, die vielen Einheimischen bereits abhandengekommen ist – außer den Profiteuren des Massentourismus.
„Die Stimmung ist sehr unterschiedlich. Bei denen, die gut am Tourismus verdienen, ist sie durchaus euphorisch. Der Großteil der Bevölkerung ist aber sehr frustriert“, sagt ORF-Redakteurin Julia Kovarik, die für ihre Reportage Am Schauplatz: Die Chinesen kommen in Hallstatt gedreht hat. Zu sehen ist sie heute, Donnerstag, um 21.05 Uhr in ORF 2.
An den Nerven zehrten vor allem die ständigen Störungen, die durch den Lärmpegel, das Fotografieren und das Eindringen in die Privatsphäre entstehen: „Es wird sehr viel fotografiert. Vor allem mit Selfiesticks und Drohnen.“
Busse voller Touristen
Eine Hallstätterin meinte gar: „Wir haben uns von gastfreundlichen Menschen zu aggressiven Menschenfeinden entwickelt“, erzählt Kovarik dem STANDARD.
Für den größten Ärger sorgen vor allem die Tagestouristen, die mit dem Reisebus kommen, nur wenige Stunden bleiben und fast nichts konsumieren. Das seien überwiegend Asiaten, meist Chinesen: „Aber nicht nur, sondern auch Taiwanesen, Japaner, Südkoreaner, Thailänder“, sagt Kovarik. In der chinesischen Provinz Guangdong wurde vor ein paar Jahren sogar eine Hallstatt-Kopie gebaut. Mit Folgen, denn: „Eine Menge Touristen scheint zu glauben, dass Hallstatt ein großes Freilichtmuseum ist, was dazu führt, dass sie manchmal bis ins Wohnzimmer kommen.“
Bei ihrer Reportage stieß die Sendungsmacherin auf ambivalente Reaktionen. Viele Anrainer seien froh gewesen, dass sich endlich jemand für sie interessiere, auf der anderen Seite trauten sich einige nicht, ihren Unmut vor der Kamera zu artikulieren, aus Angst, sich die Zunge zu verbrennen: „Sie wollen es sich mit niemandem verscherzen. Schließlich kennt jeder auch jemanden, der am Tourismus verdient“, so Kovarik.