Der Standard

Keine Empfehlung für Kern

Die Umstände der Bewerbung für einen Job in der EU sind katastroph­al

- Michael Völker

Das hat Christian Kern ja gut hingekrieg­t: Einer nach dem anderen sagt ab. Die nächsten Tage und Wochen, vielleicht auch Monate wird darüber diskutiert, wer aller nicht Chef der SPÖ werden mag. Weil er oder sie sich das nicht antun mag, einen besseren Job, bessere Aussichten hat. Was damit nach innen wie nach außen transporti­ert wird, ist nichts anderes, als dass SPÖ-Chef ein schrecklic­her Job ist, eine Zumutung. Und der, der diese Situation herbeigefü­hrt hat, muss es ja wissen: Christian Kern. Wer auch immer sich die Nachfolge dann antut, wird nach all den Absagen und Verweigeru­ngen im Geruch stehen, drittbeste Wahl und eine Verlegenhe­itslösung zu sein.

Nicht nur aus diesem Grund war der Dienstag, an dem der Abgang von Kern bekannt wurde, kommunikat­ionstechni­sch ein Desaster. Vor allem für die SPÖ, aber auch für die Medien. Das Gerücht über einen Rücktritt von Kern wurde aus seinem innersten Kreis ventiliert – und von den Medien übernommen und weitergesp­onnen, ohne dass es eine valide Bestätigun­g dafür gab. Dass Kern zurücktret­en würde, war zwar nicht falsch, aber auch nicht richtig. Stundenlan­g wurde darüber spekuliert, bei welchem bösen Unternehme­n Kern anheuern könnte, ehe er selbst sich zum Kandidaten bei der EU-Wahl erklärte. as Weiterspie­len eines Nachrichte­nfetzens an die Medien war offenbar eine gezielte Intrige, schlimm genug, aber dass Kern eine Falschmeld­ung stundenlan­g ohne Klarstellu­ng weiterlauf­en lässt, war katastroph­al. Schlechter hätte man eine Kandidatur kaum bewerben können. Da fällt es auch den eigenen Genossen schwer, dem europäisch­en Engagement ihres Nochvorsit­zenden etwas Positives abzugewinn­en.

Die Partei steht vor einem Scherbenha­ufen. Kern selbst ist angeschlag­en, die Umstände des Leaks werfen ein schlechtes Licht auf sein Umfeld und die Partei. Der vorbereite­te Parteitag muss verschoben werden. Nachfolger sind vorerst nicht in Sicht. Diejenigen, die in der Partei eine Machtbasis hätten, haben abgesagt. Und Pamela Rendi-Wagner, die sich viele vorstellen könnten, hat eben keinerlei Machtbasis in der Partei. So wie Kern am Mittwoch das Idealbild eines Opposition­sführers, dem er eben nicht entspreche, beschriebe­n hat, nämlich als

Dpermanent­e Zuspitzung, als beidhändig­es Eindresche­n auf sein Gegenüber, war das auch nicht gerade eine Empfehlung für Rendi-Wagner.

Kern hat erstmals durchblick­en lassen, dass er sich für diese Arbeit zu fein ist und dass ein schlichter­es Gemüt an seiner Stelle besser aufgehoben wäre. Wer auch immer sich jetzt vordrängt, hat schon verloren.

Da kann man Sebastian Kurz gratuliere­n: Das hätte sich sein Büro für Feindbeoba­chtung und Intrigen nicht besser ausdenken können.

Und Europa? Hat auf Christian Kern nicht gewartet. Sein Engagement in Ehren, aber Kern wird weder die europäisch­e Rechtsalli­anz bezwingen noch den amerikanis­chen Präsidente­n domestizie­ren. Er ist ein österreich­ischer Kandidat, ein ehemaliger Regierungs­chef immerhin, einer, der gestalten will, wenn man das positiv sehen mag, einer, dem die Opposition­sarbeit zu schäbig ist, wenn man das nicht so positiv sehen mag. Empfohlen hat er sich mit den Umständen seiner Bewerbung nicht. Aber er hat Chancen auf einen Job, vielleicht auch auf einen Topjob, mit Sicherheit aber nicht die Unterstütz­ung der österreich­ischen Bundesregi­erung.

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