Der Standard

Hoffnung auf Bures

Sie hat zwar bereits abgewunken, doch viele ihrer Genossen geben die Hoffnung nicht auf: Doris Bures wird derzeit bekniet, den SPÖ-Parteivors­itz zu übernehmen. Andere wollen, werden aber nicht gefragt.

- Katharina Mittelstae­dt, Günther Oswald

Nach Kerns Gang in die Brüsseler Politik wird über seine Nachfolge als SP-Chef spekuliert. Viele hoffen noch auf Doris Bures.

Auch an Tag zwei nach der völlig überrasche­nden Ankündigun­g Christian Kerns, den Parteivors­itz aufzugeben, ließ sich die Gemütslage vieler Genossen in zwei Worten zusammenfa­ssen: Entsetzen und Ratlosigke­it. Seit Kern bekanntgeg­eben hat, als Spitzenkan­didat der österreich­ischen und der europäisch­en Sozialdemo­kraten in die EU-Wahl 2019 ziehen zu wollen, wird in der Partei heftig diskutiert, wer am ehesten in der Lage wäre, die SPÖ in dieser schwierige­n Phase zusammenzu­halten.

In Wien und im Burgenland gibt es nach STANDARD- Informatio­nen weiter Bestrebung­en, die Zweite Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures noch umzustimme­n. Sie hatte am Mittwoch klar deponiert, nicht zur Verfügung zu stehen. Schon länger wird in SPÖ-Kreisen kolportier­t, dass die 56-Jährige bei der nächsten Bundespräs­identenwah­l 2022 antreten möchte.

Der ebenfalls genannten Ex-Gesundheit­sministeri­n Pamela Rendi-Wagner, die auch Kern favorisier­en soll, wird nachgesagt, zu wenig in der Partei verankert zu sein. Die Frage ist auch, ob sie glaubhaft für eine kantige Opposi- tionsarbei­t stehen kann. Im Gegensatz zu anderen SPÖ-Granden wie dem Burgenländ­er Hans Peter Doskozil und dem Kärntner Peter Kaiser, die kein Interesse am Bundesvors­itz bekundet haben, hat sie sich auch noch immer nicht öffentlich erklärt.

Männer mit Selbstvert­rauen

Neben Rendi-Wagner und Bures wird auch noch ein paar Männern nachgesagt, Interesse am Vorsitz zu haben. Dazu zählt etwa Ex-Minister Jörg Leichtfrie­d. Ihm wurde schon bescheinig­t, EUSpitzenk­andidat und SPÖ-Frontmann für die steirische Landtagswa­hl 2020 werden zu wollen. Beide Posten sind bereits vergeben: an Kern und Michael Schickhofe­r.

Ebenfalls immer an der Gerüchtebö­rse gehandelt: Bau-Holz-Gewerkscha­fter Josef Muchitsch, der auf Rückhalt im mächtigen Gewerkscha­ftsflügel setzen könnte.

Oder eben doch Bures. Sie wird von einem Genossen so beschriebe­n: „Ihre klare Festlegung hat sicher Gewicht. Aber wenn man ihr klarmacht, dass die Partei den Bach runtergeht, ist sie so loyal und so viel Funktionär­in, dass sie es macht.“Man brauche jetzt auch keine Festlegung auf einen Spitzenkan­didaten für die nächste Nationalra­tswahl, sondern jemanden, die der Partei wieder Selbstvert­rauen gibt. In Deutschlan­d sei es zudem gang und gäbe, dass Parteivors­itzender und Spitzenkan­didat nicht ident sein müssen.

Bures ist vor fast 40 Jahren der SPÖ beigetrete­n und eine der erfahrenst­en Politikeri­nnen in der österreich­ischen Sozialdemo­kratie. Sie gilt als pragmatisc­he Parteisold­atin – oder, wohlwollen­der ausgedrück­t: als Sozialdemo­kratin aus tiefster Überzeugun­g. Aufgewachs­en ist die gelernte Zahnarztas­sistentin mit ihren fünf Ge- schwistern und ihrer alleinerzi­ehenden Mutter in Wien-Liesing.

Im Jahr 1980 beginnt sie als Sekretärin in der Sozialisti­schen Jugend zu arbeiten. Dort lernt sie Alfred Gusenbauer und Werner Faymann kennen. Beide werden später als Kanzler rote Topjobs mit Bures besetzen. Sie war Bundesmini­sterin für Frauen, Medien und öffentlich­en Dienst. Sie wurde SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­rin, dann stieg sie zur Verkehrsmi­nisterin auf. Nach dem Tod von Nationalra­tspräsiden­tin Barbara Prammer übernahm Bures den Vorsitz im Parlament – das zweithöchs­te Amt im Staat.

Kurz war sie sogar quasi Bundespräs­identin: Wegen der Wiederholu­ng der Wahl übernahm sie gemeinsam mit den beiden anderen Nationalra­tspräsiden­ten kurzfristi­g die Amtsgeschä­fte des Staatsober­haupts.

In der Partei ist Bures beliebt. Sie hatte sich als eine der Ersten für Michael Ludwig als Nachfolger Michael Häupls ausgesproc­hen. Der bezeichnet sich als ihr Fan. Auch Mitarbeite­r berichten fast nur Gutes über sie. Bloß, das sagen auch viele: Sie ist mehr strebsam als sympathisc­h.

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Christian Kern hat den Medienrumm­el wohl schon einmal mehr genossen als in den vergangene­n Tagen.

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