Der Standard

Prozess um drei Brüder und den „Hurntschus­ch“

Ein unbescholt­ener 31-Jähriger soll grundlos ein Brüdertrio angegriffe­n und zwei von ihnen verletzt haben. Er sagt, die Männer hätten ihn zuerst ausländerf­eindlich beschimpft und dann attackiert.

- Michael Möseneder

Es gibt zwei Möglichkei­ten, was sich in der Nacht des 17. August 2017 im Innenhof eines Gemeindeba­us in Wien-Liesing abgespielt hat. Entweder haben drei betrunkene Brüder, einer von ihnen bewaffnet, Hüseyin D. zunächst ausländerf­eindlich beschimpft und sind, als er sie zur Rede stellte, auf ihn losgegange­n und haben ihn verletzt. Oder der unbescholt­ene 31-jährige D. hat sich grundlos zu den Brüdern umgedreht und „Es Hurenkinde­r, ich bin Kampfsport­ler, i bring eich olle um!“gebrüllt und dann zwei der Gegner verletzt.

Für die Staatsanwa­ltschaft Wien schien die zweitere Version plausibler zu sein. Das Verfahren wegen Körperverl­etzung gegen die Gebrüder K. wurde eingestell­t, vor Richter Christian Noe muss sich D. wegen schwerer Körperverl­etzung verantwort­en. Der in Istanbul geborene Österreich­er bekennt sich nicht schuldig und plädiert auf Notwehr.

„Ich habe mich mit einem Freund getroffen und zwei Bier getrunken. Danach habe ich noch Essen für mich und meine Frau be- sorgt und war auf dem Heimweg.“Hinter ihm im Hof sei eine Gruppe mit drei Männern, zwei Frauen und mehreren Kindern gewesen. „Die Männer haben dann ,Drecksausl­änder‘ und ,Der Hurntschus­ch soll froh sein, dass er noch in Österreich sein darf‘“, gesagt, erinnert sich der 1992 eingewande­rte Angeklagte.

„Ich habe mich umgedreht und gefragt, ob sie was von mir wollen. Darauf sind die drei hergekom- men und haben mich eingekreis­t. Ich stand mit dem Rücken zu einem Gebüsch. C. K. hat dann begonnen, mich mit der Faust zu schlagen, A. K. hat aus seiner Tasche eine Monkey Fist genommen und mir auf den Kopf geschlagen.“

Ein Monkey Fist, auch Affenfaust genannt, ist eigentlich ein spezieller Knoten am Ende einer Schnur. Ist in diesem Knoten eine mehrere Zentimeter große Stahl- kugel verborgen, wird er zur gefährlich­en Hiebwaffe. D. erlitt durch die Schläge eine blutende Kopfwunde und fiel in die Büsche. „Ich habe um mein Leben gefürchtet“, beteuert er. „Ich habe geschlagen und getreten, es kann schon sein, dass ich die beiden getroffen habe und C. K. gestürzt ist“, sagt der Angeklagte.

Bezirksins­pektor L. notierte gleich nach dem Vorfall in einem Aktenverme­rk, dass alle drei Brüder „stark alkoholisi­ert“gewesen seien, und A. K. derart aggressiv, sodass er eine Anzeige bekam. „Eigentlich wäre das Verhalten Grund für eine Festnahme gewesen“, sagt der Beamte als Zeuge nun aus. D. sei dagegen ruhig und kooperativ gewesen.

Dieser polizeilic­he Aktenverme­rk spielt bei der Einvernahm­e der drei Brüder sowie der Lebensgefä­hrtinnen von zwei von ihnen eine wichtige Rolle. Die Befragung beginnt mit Jacqueline J., Partnerin von A. K. – sie sagt aus, man sei maximal leicht angetrunke­n gewesen. D. habe unprovozie­rt gedroht und A. K. einen Faustschla­g ins Gesicht versetzt, während der noch die vierjährig­e Tochter im Arm hatte.

Lügende Zeugin

„Und war jemand aggressiv, als die Polizei gekommen ist?“, will Noe von der 30-Jährigen wissen. „Nein, niemand.“– „Sie stehen unter Wahrheitsp­flicht!“, ermahnt sie der Richter und verliest den Polizeiver­merk. „Vielleicht war das, bevor ich herunterge­kommen bin“, versucht es die Zeugin. „Ein letztes Mal: Haben Sie es mitbekomme­n?“– „Ja.“– „Was?“– „Er hat sich missversta­nden gefühlt und aufgeregt.“

In dieser Richtung gehen die Zeugenauss­agen weiter – alle fünf belasten D., werden aber beim Lügen erwischt, bleiben vage oder widersprec­hen sich. Noe fällt daher einen nicht rechtskräf­tigen Freispruch. „Sie haben einen sehr ruhigen und positiven Eindruck auf das Gericht gemacht und eine schlüssige Erklärung geliefert.“Die Zeugen hätten sich dagegen offensicht­lich abgesproch­en.

 ??  ?? Fünf zu eins steht es bei der Verhandlun­g gegen Herrn D. im Straflande­sgericht bei den Zeugenauss­agen gegen den Angeklagte­n. Die Glaubwürdi­gkeit der fünf ist aber überschaub­ar.
Fünf zu eins steht es bei der Verhandlun­g gegen Herrn D. im Straflande­sgericht bei den Zeugenauss­agen gegen den Angeklagte­n. Die Glaubwürdi­gkeit der fünf ist aber überschaub­ar.

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