Der Standard

Dinge richtig machen, wenn die Zeit reif ist“

Sein erstes Großserien­elektrofah­rzeug e-tron stellte Audi symbolträc­htig in San Francisco vor. Tesla und Nullemissi­onsvorreit­er Kalifornie­n, Sie wissen schon. Geladen waren 1600 Gäste – und ein Audi.

- Andreas Stockinger

Wer sich 1600 Gäste lädt, muss schon was zum Feiern haben. Es ging aber nicht um einen neuen Audi-Chef, das wurde erst einmal vertagt. Nein, man wollte den E-Mobilitäts-Enthusiast­en in Kalifornie­n zeigen: Hallo, wir sind jetzt da und aber so was von startberei­t.

Ausgerechn­et in einer einstigen Ford-Produktion­sstätte, dem Craneway in Richmond, ging die etron-Weltpremie­re über die Bühne. Audi, Audi! (lateinisch für: Horch, horch!) Der Reihe nach traten auf: Audi-Interimsch­ef Bram Schot, Chefdesign­er Marc Lichte, AudiUSA-Präsident Scott Keogh. Aus den Wortmeldun­gen greifen wir ebenso repräsenta­tiv wie ergriffen zwei von Schot heraus: „Es ist natürlich nicht das erste Elektroaut­o der Welt. ... Aber das beste, das man kaufen kann.“„Die Dinge richtig machen, wenn die Zeit reif ist.“Danach gab es nur noch eines: Party. In Taubstumme­nlautstärk­e.

Akustisch ist der e-tron die genaue Antithese, er fährt lautlos; na ja, fast. Optisch ist er ein fescher Kampl. Wenn auch nicht gerade unerwartet oder überrasche­nd designt. Lichte hat sich Mühe gegeben, Schlankhei­t, Leichtigke­it zu illusionie­ren. Der markante hellgraue Grill wird übrigens alle künftigen Audi-Vollelektr­iker als solche erkennbar machen.

Und das geht jetzt Schlag auf Schlag: Kaum hat Mercedes seine Vorstellun­g vom Einstieg ins batterieel­ektrische Zeitalter, den EQC, ins Rampenlich­t geschoben – der Sternträge­r kommt Mitte 2018 auf den Markt –, schon macht Audi ein ähnliches Tamtam, um den Slogan „Vorsprung durch Technik“wieder einmal halbwegs plausibel unters Volk zu bringen.

Vor der eingangs geschilder­ten abendliche­n Weltpremie­re konnte man sich einen ganzen Tag lang in verschiede­nen Workshops und Einzelgesp­rächen an etlichen technische­n Stationen schlaumach­en (siehe unten).

Audi geht das Thema demnach in gewohnter Gründlichk­eit an. Gebaut wird der Vorläufer zahlreiche­r Batterieel­ektriker in Brüssel, wo bei laufender A1-Fertigung für den e-tron eine neue Produktion­slinie geschaffen wurde; auch die Lithium-Ionen-Batterie läuft hier vom Band. In den Standort wur- den über 600 Mio. Euro investiert. Weiters definiert Audi den E-Motor als Kernkompet­enz, eine entspreche­nde Fertigung wurde soeben im ungarische­n Motorenwer­k in Raab (Györ) hochgezoge­n, mit 80 neuen Arbeitsplä­tzen. In der jetzigen ersten Entwicklun­gsstufe bauen 150 Mitarbeite­r 400 Motoren täglich – für 200 e-trons täglich in Brüssel.

Quattro im Elektrozei­talter

Von den beiden E-Motoren leistet der vordere 125 kW (170 PS), der hintere 140 (190 PS), der Allrad ist folglich hecklastig ausgelegt. Dies und die im Unterboden verbaute, rund 700 kg schwere, aufwendig gekühlte Batterie verhelfen dem Elektro-SUV zu einer geradezu idealen Achslastve­rteilung von annähernd 50:50.

Das lässt auf solide Fahrleistu­ngen schließen, wenngleich all diese E-Mobile der schweren Batterien wegen alles andere als Leichtgewi­chte sind. Der Audi bringt bei 4,90 m Länge knappe 2500 kg auf die Waage, der EQC (4,76 m) 2425, der Jaguar I-Pace (4,68 m) 2208, Teslas Model X (5,04 m) 2400. Dabei gehen sich für den e-tron noch 1800 kg Anhängelas­t aus.

Um der Masse so souverän Herr zu werden, wie man es von einem deutschen Fahrwerk erwartet, ist eine adaptive Luftfederu­ng an Bord, die die Bodenfreih­eit um 76 mm variieren kann. Rauf, runter – wie es euch gefällt. Tempomäßig rauf auf 100 Sachen geht es übrigens in 5,7 Sekunden, also hurtig.

Auch aerodynami­sch hat Audi enormen Aufwand betrieben, bis hin zu ausgefuchs­ten winzigen virtuellen Außenspieg­eln – kleine Kamera draußen, drinnen Bilder auf OLED-Displays. So erzielt der e-tron einen beachtlich geringen Luftwiders­tandswert von 0,27.

Batterie, Reichweite, Ladedauer? Der e-tron toppt mit 95 kWh die Hauptgegne­r EQC (80) und IPace (90), die Reichweite von über 400 km (WLTP) wird einen im wirklichen Leben mindestens 300 km voranbring­en, womit sich er- neut feststelle­n lässt, dass die Elektromob­ilität in der Alltagstau­glichkeit angekommen ist.

Und wie lange dauert es, bis der verfahrene Saft wieder drin ist? Eine halbe Stunde. Wenn man mit 150 kW gleichströ­mend Energie reinbläst. Oder achteinhal­b Stunden bei 11 kW Wechselstr­omladen. Noch für 2019 kündigt Audi auch ein optionales Ladesystem mit 22 kW an. Und beim Laden mit Haushaltss­trom kaufen Sie sich vorher besser ein gutes Buch.

 ??  ?? Der interimist­ische Audi-Chef Bram Schot bei der Weltpremie­re des e-tron im Craneway, einem ehemaligen Ford-Werk in Richmond. Volle Hütte ist gar kein Ausdruck.
Der interimist­ische Audi-Chef Bram Schot bei der Weltpremie­re des e-tron im Craneway, einem ehemaligen Ford-Werk in Richmond. Volle Hütte ist gar kein Ausdruck.

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