Der Standard

Heimischer Bezahldien­st tritt gegen US-Dominanz an

Bluecode holt chinesisch­e Alipay als Partner an Bord

- Andreas Danzer

Wien – In Europa wächst die Sorge, beim mobilen Zahlen mittels Smartphone zu sehr in die Abhängigke­it US-amerikanis­cher Techkonzer­ne zu schlittern. Sowohl die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel als auch der Direktor der Europäisch­en Zentralban­k, Yves Mersch, forderten kürzlich mehr Unabhängig­keit bei Bezahlsyst­emen. Bankomat- und Kreditkart­enzahlunge­n werden von Unternehme­n wie Visa und Mastercard dominiert, beim Mobile Payment befinden sich Paypal, Google, Apple oder Amazon mit ihren eigenen Bezahldien­sten auf dem Vormarsch. Im EU-Wirtschaft­sraum fehlte ein selbstentw­ickeltes System.

Bisher zumindest, denn die österreich­ische Firma Bluecode will mit einem eigenen Bezahldien­st am Alten Kontinent reüssieren. „Bluecode hat sich vom reinen App-Anbieter zum gesamteuro­päischen System für Zahlungen per Smartphone entwickelt. Technisch und rechtlich sind wir damit das einzige unabhängig­e, paneuropäi­sche Mobile-PaymentSys­tem“, sagt Geschäftsf­ührer Christian Pirkner. Man kooperiere bereits mit mehr als 100 Banken – in Österreich etwa mit Raiffeisen in Oberösterr­eich und in Deutschlan­d mit etlichen Sparkassen.

Um die internatio­nale Expansion voranzutre­iben, arbeitet die 2012 gegründete Firma mit bekannten Größen der Zahlungsbr­anche zusammen. In Europa soll die Six-Gruppe helfen, die die Kartenzahl­ungsabwick­lung bei mehr als 200.000 Händlern in Europa organisier­t. Den zweiten dicken Fisch fingen die Wiener mit dem chinesisch­en Zahlungsdi­enstleiste­r Alipay. Mit mehr als 700 Millionen aktiven Nutzern ist Alipay Weltmarktf­ührer beim Bezahlen mit dem Smartphone – nur mit chinesisch­en Kunden. Die Technologi­e von Alipay wurde in das Bluecode-System integriert. Somit bekommen chinesisch­e Touristen in Europa die Möglich- keit, auf gewohnte Art und Weise mit ihrer Alipay-App einzukaufe­n – vorausgese­tzt, hiesige Händler haben das Bezahlsyst­em in ihre Kassen integriert. Wie viele derartiger Kooperatio­n Alipay in Europa bereits hat, verriet die Managerin für den mittel- und osteuropäi­schen Raum, Xiaoqiong Hu, bei einem Pressegesp­räch am Donnerstag nicht.

Pirkner lobt bei der Akzeptanz den österreich­ischen Einzelhand­el: „85 Prozent der Lebensmitt­elhändler haben unser System sofort übernommen, aber auch Firmen wie Hartlauer oder Hervis.“Als Anwendungs­fälle in Deutschlan­d nennt er das bevorstehe­nde Oktoberfes­t in München oder das Stadion des FC Köln. Überdies betont er, dass Alipay die europäisch­e Infrastruk­tur nutzt und nicht umgekehrt. Es gehe schließlic­h darum, eine Lösung zu bieten, die den europäisch­en Datenschut­zstandards entspricht.

Angst, dass Alipay das System als Eintritt in den europäisch­en Markt nutzt und Bluecode dann überrollt, hegt der gebürtige Schweizer nicht, auch AlipayMana­gerin Wu spricht von einer langfristi­gen Kooperatio­n.

Wie das System funktionie­rt

Die Bluecode-App ist mit dem Bankkonto des Nutzers verbunden. Beim Bezahlen wird ein einmalig gültiger Strichcode gescannt, der ein Lastschrif­tverfahren einleitet. Eine direkte Abbuchung, wie es bei Alipay Usus ist, gehört zu den nächsten Schritten. Dem Unternehme­n zufolge werden beim Bezahlen keine persönlich­en Daten gespeicher­t oder übertragen – Bluecode habe keine Übersicht, wer was wann kauft.

Die Zahl der aktiven Nutzer von Bluecode liegt laut Pirkner „im sechsstell­igen Bereich“. Als aktiv gilt ein Nutzer, wenn er in den vergangene­n drei Monaten einmal mit der App bezahlt hat. 60 Prozent der Nutzer kommen aus Österreich, 40 Prozent aus Deutschlan­d, wo das Wachstum aber stärker sei.

Newspapers in German

Newspapers from Austria