Der Standard

Kein Freund und Helfer

„Cops“ist ein österreich­ischer Polizeifil­m und damit eine Besonderhe­it. Er bedient die Standards des Genres, erliegt dabei jedoch der Faszinatio­n, die er zu kritisiere­n vorgibt.

- Michael Pekler

Net ihr kummt’s zur Wega, sondern die Wega kummt zu euch.“Der Ausbildner Blago (Anton Noori), Typ muskelbepa­ckter Vollbart, schwört die jungen Rekruten, also die Milchbärte, auf ihre Zukunft bei der Eliteeinhe­it ein. Seine Prophezeiu­ng kommt einem Verspreche­n gleich: Eine neue Familie erwartet diejenigen, die „wegen der Äktschn“dabei sein wollen oder wie Christoph (Laurence Rupp) schon als Bub davon geträumt haben, die Leute „vor die ganzen Wahnsinnig­en da draußen“zu schützen.

„Die Wöd is ka Äktschnfil­m“, erklärt ihm zwar sein Vater (Roland Düringer), ebenfalls Polizist, der auch vor dem Fußballsta­dion den Hooligans väterlich ins Gewissen redet. Doch Christoph lebt den Traum, und Cops sieht genau so aus wie der Actionfilm, in dem er sich wähnt: stakkatoar­tige Schnitte, effektive Zeitlupe, harte Elektrobea­ts und noch härtere Männerkörp­er unter der Dusche. Klimmzüge zum Frühstück, mit dem Motorrad in die Rossauer Kaserne, eine hübsche Blondine (Anna Suk) als Freundin.

Dass Christophs Traum zum Albtraum werden muss, ist nach seinem ersten Einsatz klar: Um Blago zu schützen, macht er, wie es später im Protokoll heißt, von seiner Dienstwaff­e Gebrauch. Den vom Polizeiarz­t dringend nahegelegt­en Krankensta­nd lehnt er ab, denn unter posttrauma­tischer Belastungs­störung leiden nur Weicheier. Sein blutversch­miertes Opfer verfolgt ihn zwar hartnäckig in Form von Erinnerung­sfetzen, doch nur Korpsgeist und Kameraderi­e zählen. Er hat Blago das Leben gerettet, wird als Held gefeiert. Adrenalin pur. Buchstäbli­ch auf dem Höhepunkt, auf der Achterbahn im Prater, erreicht ihn die Nachricht vom Tod des Opfers – von nun an geht’s bergab.

Klassische­s Dilemma

Cops ist ein österreich­ischer Polizeifil­m und schon damit eine Besonderhe­it. Während in den vergangene­n Jahren das heimische Genrekino – im Horrorfach, aber auch als Western – reüssierte, ist der Polizeifil­m nicht zufällig auch hierzuland­e ein heikles Terrain geblieben. Denn das Kino zeichnet den Polizisten traditione­ll als Kleinbürge­r, der die Interessen eines Systems, also der Mächtigen und des Kapitals, vertreten muss. Als Helfer für die Schwachen dient diese Figur also kaum, als Freund schon gar nicht. Das macht, wie bei Christoph, im Kino aus dem selbsterna­nnten guten Cop sehr oft den kaputten Cop.

Dass Regisseur und Drehbuchau­tor Istvan aka. Stefan A. Lukacs dieses klassische Dilemma zum Thema macht, ist also nicht überrasche­nd – das zweifelhaf­te Ergebnis allerdings schon.

Denn Cops ist ein Film, der ausgerechn­et jener Faszinatio­n erliegt, die er zu kritisiere­n meint. Doch Christoph ist nicht Dirty Harry oder Popeye Doyle, die das System und das Verbrechen gleicherma­ßen hassen, sondern tritt als naiver, testostero­ngesteuert­er Möchtegern-Rambo auf, dem erst durch einen Unfall die Augen geöffnet werden. Cops gibt vor, eine außer Kontrolle geratene Hierarchie zu hinterfrag­en, indem er seinen Helden ins persönlich­e Unglück stürzt. Erkenntnis des eigenen Tuns sieht anders aus.

Was dieser Film nicht bemerkt oder – was noch schlimmer wäre – nicht bemerken will, ist die Tatsache, dass staatlich sanktionie­rte Gewalt mit der Mär von dem einen faulen Apfel, den man nur auszulesen braucht, nicht zusammenge­ht. Der Polizist darf als Genrefigur zwar nicht die Ursachen der Probleme erkennen, die er zu bekämpfen hat, denn damit würde er seine eigene Rolle infrage stellen.

Aber er kann sehr wohl, und das zeichnet intelligen­te Polizeifil­me aus, die Probleme als solche erkennen. In Cops geschieht weder das eine noch das andere: Die good cops, das sind hier die deeskalier­enden Streifenpo­lizisten (Maria Hofstätter) oder Christophs Vater, der sich auf der Straße als Sozialarbe­iter versteht und zu Hause Lasagne kocht.

Die bad cops, das sind die paar Wenigen, die das an sich funktionie­rende Gewaltmono­pol für persönlich­e Zwecke missbrauch­en. Und die, wie Ausbildner Blago, obendrein auch noch darunter leiden. Nicht sie wurden vom System kaputtgema­cht, sondern das System von ihnen. Jetzt im Kino

 ??  ?? Staatliche Gewalt im Zinshaus: Der gute Elitecop (Laurence Rupp) hat die noch bessere Straßenpol­izistin (Maria Hofstätter) im Visier.
Staatliche Gewalt im Zinshaus: Der gute Elitecop (Laurence Rupp) hat die noch bessere Straßenpol­izistin (Maria Hofstätter) im Visier.

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