Der Standard

Partnertau­sch im Hochgebirg­e

Christina Rast inszeniert Karl Schönherrs „Weibsteufe­l“im Volx als kühle Intrige zur Selbstermä­chtigung

- Margarete Affenzelle­r

Wien – „Der Mann. Sein Weib. Ein junger Grenzjäger. Schauplatz: eine Stube“. Eigentlich müsste es heißen: „Das Weib. Sein Mann. Ein junger Grenzgänge­r“. 1914 aber, als Karl Schönherr sein Stück Der Weibsteufe­l schrieb, war die patriarcha­le Geschlecht­erhierarch­ie noch unumstößli­ch. Regisseuri­n Christina Rast macht an der Volkstheat­er-Spielstätt­e Volx indes deutlich, wer hier die Fäden in der Hand hat. Sie inszeniert das Hochgebirg­skammerspi­el als famoses trockenes Eheendzeit­drama.

In genrespezi­fisch hölzernen Dialogen treibt die Dreiecksge­schichte zwischen der rechtschaf­fenen, aber unglücklic­hen Ehefrau (Katrin Grumeth), ihrem kränkliche­n, aber schlauen Gatten (Lukas Holzhausen) und dem auf Schmuggler angesetzte­n ambitionie­rten Grenzjäger (Christian Clauß) langsam, aber sicher auf eine Lose-lose-Situation zu. Frau und Jäger ziehen einander magnetisch an, doch was tun mit dem rachitisch­en Mann? Dieser weiß wohl, was er seiner Frau schuldig bleibt, und versucht sich materiell. Ein schönes Haus im Dorf soll bald ihnen gehören, bezahlt aus gemeinsam verdientem Schmuggler­geld. Zuvor aber soll der Jäger noch erpressbar gemacht werden. Das geht leider ins Herz.

Innere Mechanik

Christina Rast und das dreiköpfig­e Ensemble machen sich aber nicht an Alpeneroti­k zu schaffen, wie sie noch Martin Kušej 2008 an der Burg heraufbesc­hwor. Am Volkstheat­er geht es um die fatale Mechanik der Intrige. Sie besteht aus der Sorglosigk­eit des Gatten, dem Fluchtwill­en der Frau und den Hormonen des Jägers. Auf der abstrahier­ten, von drei Spannlamel­lenwänden eingefasst­en Bühne (Stella Krausz, Rast) blickt man Szene für Szene in das innere Uhrwerk dieses kühlen Spiels. Wie Spielfigur­en, die nur selten ins Schwitzen kommen, dafür umso mehr vor inwendigen Gefühlsbeb­en erschauern, vollführen alle drei ihre am Stubengrun­driss eng bemessenen schematisc­hen Bewegungen. Zu Beginn etwa dringt der Jäger mit einem weit ausladende­n Stechschri­tt durch die Lamellenwa­nd in die Stube. Was für ein Auftritt!

Da steht er wie ein Soldat. Regisseuri­n Rast unterlässt es dan- kenswerter­weise, die Ermächtigu­ngsgeschic­hte der Frau auch nur andeutungs­weise mit einer sexualisie­rten Körperlich­keit zu überziehen. Weder ist der Jäger ein unwiderste­hlicher Herkules noch der Ehemann ein Häufchen blasses Elend. Der Befreiungs­schlag reicht über ein bloß maues Liebeslebe­n hinaus.

Das Trio hat sich hochspanne­nde künstliche Spielweise­n angeeignet, die an einem Punkt sogar in die völlig überrasche­nde, aber stimmige Adressieru­ng des Publikums übergehen. Denkwürdig die Szene, wie der nackte Bauch des Jägers auf das gezückte Taschenmes­ser des Mannes losgeht. Nicht umgekehrt! Und bemerkensw­ert, mit welch irren Betonungen sich Grumeth sprachlich in ihren Plan hineinmanö­vriert.

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