Der Standard

Worüber Europas Agrarminis­ter streiten

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Die Zukunft ist längst da. Damit meint Hans-Peter Martin jene Zukunft, die er in seinem internatio­nalen Bestseller mit Harald Schumann Die Globalisie­rungsfalle vor zwei Jahrzehnte­n beschriebe­n hat. In seinem neuesten Werk Game Over beschreibt der Autor und Ex-Europapoli­tiker, wie seine Warnungen nunmehr eingetroff­en seien: Die westlichen Eliten und ihr neoliberal­es Programm hätten versagt. China zeige, dass der Kapitalism­us ohne Demokratie auskomme. Automatisi­erung, Finanzcras­h, Klimawande­l und Bürgerüber­wachung hätten in einer globalisie­rten Welt keine Gegenwehr erfahren. „Und es wird noch viel schlechter werden.“

Demokratie in der Zange

Martins These: Die Eliten seien „demokratie­müde“, und „jetzt, da inmitten der Globalisie­rung eine neue soziale Gerechtigk­eit unverzicht­bar wäre, streben immer mehr Profiteure nach der Abschaffun­g der Demokratie“. Dabei träfen sich die Eliten mit jenen Globalisie­rungsverli­erern, die sich nach autoritäre­n Lösungen sehnen würden. Der aufkeimend­e Nationalis­mus sei das Resultat.

Auf gut 300 Seiten beschreibt Martin, gestützt auf sehr viele Zeitungsar­tikel, aber auch Studien und etliche Interviews, wie die Gesellscha­ft den Bach runter geht. Harter Tobak, für all jene, die finden, in Zentraleur­opa lebt es sich eigentlich ganz gut. Dabei lässt Martin kaum eine Fasson der Kapitalism­uskritik aus. Eine Stärke des Buches: Martin schreibt verständli­ch und fasst aktuelle Debatten gut zusammen. Zumindest aus dem Blickwinke­l der (radikal) Linken. Wer etwas verpasst hat, holt hier schnell auf. Dazu gehört auch ein Kraftakt, Positives zu relativier­en. Zum Beispiel unterstell­t Martin, wie zwei der bekanntest­en Fortschrit­tsforscher, Stephen Pinker und der verstorben­e Hans Rosling, ihre mit Statistik gespickten Werke auf Rechentric­ks und einseitige­r Wahrnehmun­g stützen würden. Dabei würden deren zelebriert­e Erfolge bei der Armutsbekä­mpfung, fast ausschließ­lich auf dem illiberale­n Aufschwung Chinas basieren, betont Martin.

Man wäre geneigt zu sagen: Ja, und? Dass sich ein Milliarden­volk aus der Armut hievt, ohne freie Wahlen eingeführt zu haben, ist nicht verwunderl­ich. Die wenigsten Nationen waren auf dem relativen Entwicklun­gsstand Chinas demokratis­ch. Das Beispiel zeigt, wie leicht der Perspektiv­enwechsel vom Pessimiste­n zum Optimisten gelingt, selbst wenn man sich über die Fakten einig ist.

Martins Stärke liegt in den Lösungsans­ätzen der letzten Kapitel, die ganz ohne Schwarzmal­erei funktionie­rt hätten. Vieles davon würde sogar ein (Neo-)Liberaler unterschre­iben: sachlicher Austausch zwischen links und rechts, Ungleichhe­it durch Bildung verringern, Digitalisi­erung als Chance nutzen, Datenschut­z und Privatspäh­er forcieren, dafür Transparen­z von Behörden und Konzernen einfordern, Steueroase­n trockenleg­en, um einige Beispiele zu nennen. Auch Martin gesteht ein: Alles kann noch gut werden. (slp) Hans-Peter Martin, „Game Over: Wohlstand für wenige, Demokratie für niemand, Nationalis­mus für alle – und dann?“. € 24,– / 384 Seiten. Penguin-Verlag, München 2018

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