Innenministerium beschränkt Infos für „kritische Medien“
Interne Mail regt an, Kommunikation auf „das nötigste Maß“zu reduzieren
Wien – Das Innenministerium gestaltet seine Kommunikationspolitik neu und hat in einem mehrseitigen Schreiben unter der Überschrift „Kritische Medien“die Polizeipressestellen „angeregt“, die Kommunikation mit „gewissen Medien“auf „das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken“. Namentlich sind in der Mail, die dem Standard vorliegt, neben dem Standard noch Kurier und Falter angeführt.
Ein anderer Wunsch des Ministeriums wird von den exekutiven Medienstellen bereits konsequent umgesetzt: In den Aussendungen werden Nationalität und teilweise der Aufenthaltsstatus von Tatverdächtigen genannt. Das ist ein Bruch mit bisherigen Traditionen, im Medienerlass des Justizministeriums ist beispielsweise festgeschrieben, dass ethnische Merkmale nur kommuniziert werden sollen, wenn ein Bezug zum Fall vorliegt.
Eine weitere Neuerung: Meldungen zu Sexualdelikten sollen von den Beamten „proaktiv ausgesendet“werden. Allerdings gilt das nicht, wenn es sich „um eine rein familieninterne Tat handelt“. In der Vergangenheit berichtete die Polizei meist nur über Angriffe von unbekannten Tätern, um den Opfern eine Retraumatisierung durch Berichterstattung zu ersparen. (red)
Das Innenministerium (BMI) unter Ressortchef Herbert Kickl (FPÖ) ändert seinen Umgang mit den Medien und seine Veröffentlichungspolitik. Darauf lässt eine vierseitige Mail schließen, die jüngst aus dem Haus in der Herrengasse an die Kommunikationschefs der Landespolizeidirektionen ergangen ist. „Leider wird wie eh und je seitens gewisser Medien (z. B.: Standard, Falter), sowie neuerdings auch seitens des Kuriers, eine sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI bzw. die Polizei betrieben“wird in dem Schreiben, das dem Standard und dem Kurier über mehrere Stationen zugespielt wurde und dessen Authentizität von mehreren Beamten bestätigt wurde, gewarnt.
Und auch eine Anregung für die Zusammenarbeit mit den genannten Zeitungen wird gleich mitgeliefert: „Ansonsten erlaube ich mir vorzuschlagen, die Kommunikation mit diesen Medien auf das nötigste (rechtliche vorgesehene) Maß zu beschränken und ihnen nicht noch Zuckerl, wie beispielsweise Exklusivbegleitungen zu ermöglichen ...“(siehe Foto rechts).
Aus Sicht des Innenministeriums gibt es aber glücklicherwei- se auch Medien, die sich kooperationsbereit zeigen. Der Sender ATV wird ab Jänner eine sechsteilige Serie mit dem Arbeitstitel „Live PD“starten, in der der Polizeialltag begleitet werden soll. Nach unabhängigen Journalismus hört sich das in der BMI-Mail allerdings nicht an: „Jede Folge wird abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung. Es handelt sich dabei um imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können.“
Von den Polizeipressestellen seit vergangener Woche bereits umgesetzt wird ein anderer Wunsch des Ministeriums: Die Staatsbürgerschaft und der Aufenthaltsstatus von Verdächtigen werden jetzt in Aussendungen explizit genannt. „Dies vor dem Hintergrund einer größtmöglichen Transparenz sowie einem vorhandenen berechtigten Interesse seitens der Bevölkerung bzw. der Medien“, lautet die Begründung für diesen Kurswechsel.
Im Justizministerium sieht man das anders. Im seit 1. August 2014 gültigen Medienerlass findet sich nämlich die Passage: „Bei der Informationserteilung soll auf die Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe oder auf persönliche Merkmale (Hautfarbe etc.) nur hingewiesen werden, wenn dies für das Verständnis des berichteten Vorgangs unbedingt notwendig ist.“
Fachzirkel für Pressearbeit
Ein pikantes Detail: Erst im Juli nahm bei der Landespolizeidirektion Wien ein von Polizeipräsident Gerhard Pürstl eingesetzter Fachzirkel, an der auch der
Standard teilnimmt, die Arbeit auf, der Richtlinien für menschenrechtskonforme Presseaussen- dungen der Polizei erarbeiten soll. Trotz des Gegenwindes aus dem Ministerium soll der Fachzirkel aber fortgesetzt werden, ist zu hören.
Noch etwas ist dem Innenministerium offenbar wichtig: Sexualdelikte sollen verstärkt kommuniziert werden. Der Absender der Mail bittet, „vor allem Taten, die in der Öffentlichkeit begangen werden, besondere Modi Operandi (z. B. antanzen) aufweisen, mit erheblicher Gewalteinwirkung oder Nötigungen erfolgen, oder wenn zwischen TäterIn und Opfer keine Verbindung besteht, auch proaktiv auszusenden.“
Die Bitte mutet seltsam an, denn schon bisher war es Usus, dass geschlechtliche Nötigungen oder Vergewaltigungen durch unbekannte Täter entsprechend kommuniziert worden sind. War der Täter bekannt, gab man bei der Polizei aber dem Opferschutz Vorrang und wollte eine Retraumatisierung des Opfers durch breitflächige Berichterstattung verhindern.
Eine Bitte an Kickls Kabinett um eine Stellungnahme des Innenministers zu diesem Papier wurde eineinhalb Stunden, bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe, nicht erfüllt.