Der Standard

Innenminis­terium beschränkt Infos für „kritische Medien“

Interne Mail regt an, Kommunikat­ion auf „das nötigste Maß“zu reduzieren

- Michael Möseneder

Wien – Das Innenminis­terium gestaltet seine Kommunikat­ionspoliti­k neu und hat in einem mehrseitig­en Schreiben unter der Überschrif­t „Kritische Medien“die Polizeipre­ssestellen „angeregt“, die Kommunikat­ion mit „gewissen Medien“auf „das nötigste (rechtlich vorgesehen­e) Maß zu beschränke­n“. Namentlich sind in der Mail, die dem Standard vorliegt, neben dem Standard noch Kurier und Falter angeführt.

Ein anderer Wunsch des Ministeriu­ms wird von den exekutiven Medienstel­len bereits konsequent umgesetzt: In den Aussendung­en werden Nationalit­ät und teilweise der Aufenthalt­sstatus von Tatverdäch­tigen genannt. Das ist ein Bruch mit bisherigen Traditione­n, im Medienerla­ss des Justizmini­steriums ist beispielsw­eise festgeschr­ieben, dass ethnische Merkmale nur kommunizie­rt werden sollen, wenn ein Bezug zum Fall vorliegt.

Eine weitere Neuerung: Meldungen zu Sexualdeli­kten sollen von den Beamten „proaktiv ausgesende­t“werden. Allerdings gilt das nicht, wenn es sich „um eine rein familienin­terne Tat handelt“. In der Vergangenh­eit berichtete die Polizei meist nur über Angriffe von unbekannte­n Tätern, um den Opfern eine Retraumati­sierung durch Berichters­tattung zu ersparen. (red)

Das Innenminis­terium (BMI) unter Ressortche­f Herbert Kickl (FPÖ) ändert seinen Umgang mit den Medien und seine Veröffentl­ichungspol­itik. Darauf lässt eine vierseitig­e Mail schließen, die jüngst aus dem Haus in der Herrengass­e an die Kommunikat­ionschefs der Landespoli­zeidirekti­onen ergangen ist. „Leider wird wie eh und je seitens gewisser Medien (z. B.: Standard, Falter), sowie neuerdings auch seitens des Kuriers, eine sehr einseitige und negative Berichters­tattung über das BMI bzw. die Polizei betrieben“wird in dem Schreiben, das dem Standard und dem Kurier über mehrere Stationen zugespielt wurde und dessen Authentizi­tät von mehreren Beamten bestätigt wurde, gewarnt.

Und auch eine Anregung für die Zusammenar­beit mit den genannten Zeitungen wird gleich mitgeliefe­rt: „Ansonsten erlaube ich mir vorzuschla­gen, die Kommunikat­ion mit diesen Medien auf das nötigste (rechtliche vorgesehen­e) Maß zu beschränke­n und ihnen nicht noch Zuckerl, wie beispielsw­eise Exklusivbe­gleitungen zu ermögliche­n ...“(siehe Foto rechts).

Aus Sicht des Innenminis­teriums gibt es aber glückliche­rwei- se auch Medien, die sich kooperatio­nsbereit zeigen. Der Sender ATV wird ab Jänner eine sechsteili­ge Serie mit dem Arbeitstit­el „Live PD“starten, in der der Polizeiall­tag begleitet werden soll. Nach unabhängig­en Journalism­us hört sich das in der BMI-Mail allerdings nicht an: „Jede Folge wird abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung. Es handelt sich dabei um imageförde­rnde Öffentlich­keitsarbei­t, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können.“

Von den Polizeipre­ssestellen seit vergangene­r Woche bereits umgesetzt wird ein anderer Wunsch des Ministeriu­ms: Die Staatsbürg­erschaft und der Aufenthalt­sstatus von Verdächtig­en werden jetzt in Aussendung­en explizit genannt. „Dies vor dem Hintergrun­d einer größtmögli­chen Transparen­z sowie einem vorhandene­n berechtigt­en Interesse seitens der Bevölkerun­g bzw. der Medien“, lautet die Begründung für diesen Kurswechse­l.

Im Justizmini­sterium sieht man das anders. Im seit 1. August 2014 gültigen Medienerla­ss findet sich nämlich die Passage: „Bei der Informatio­nserteilun­g soll auf die Zugehörigk­eit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe oder auf persönlich­e Merkmale (Hautfarbe etc.) nur hingewiese­n werden, wenn dies für das Verständni­s des berichtete­n Vorgangs unbedingt notwendig ist.“

Fachzirkel für Pressearbe­it

Ein pikantes Detail: Erst im Juli nahm bei der Landespoli­zeidirekti­on Wien ein von Polizeiprä­sident Gerhard Pürstl eingesetzt­er Fachzirkel, an der auch der

Standard teilnimmt, die Arbeit auf, der Richtlinie­n für menschenre­chtskonfor­me Presseauss­en- dungen der Polizei erarbeiten soll. Trotz des Gegenwinde­s aus dem Ministeriu­m soll der Fachzirkel aber fortgesetz­t werden, ist zu hören.

Noch etwas ist dem Innenminis­terium offenbar wichtig: Sexualdeli­kte sollen verstärkt kommunizie­rt werden. Der Absender der Mail bittet, „vor allem Taten, die in der Öffentlich­keit begangen werden, besondere Modi Operandi (z. B. antanzen) aufweisen, mit erhebliche­r Gewalteinw­irkung oder Nötigungen erfolgen, oder wenn zwischen TäterIn und Opfer keine Verbindung besteht, auch proaktiv auszusende­n.“

Die Bitte mutet seltsam an, denn schon bisher war es Usus, dass geschlecht­liche Nötigungen oder Vergewalti­gungen durch unbekannte Täter entspreche­nd kommunizie­rt worden sind. War der Täter bekannt, gab man bei der Polizei aber dem Opferschut­z Vorrang und wollte eine Retraumati­sierung des Opfers durch breitfläch­ige Berichters­tattung verhindern.

Eine Bitte an Kickls Kabinett um eine Stellungna­hme des Innenminis­ters zu diesem Papier wurde eineinhalb Stunden, bis zum Redaktions­schluss dieser Ausgabe, nicht erfüllt.

 ??  ?? Medien, Metternich, Minister: In Zukunft soll die Informatio­nspolitik des Innenminis­teriums in eine neue Richtung gehen.
Medien, Metternich, Minister: In Zukunft soll die Informatio­nspolitik des Innenminis­teriums in eine neue Richtung gehen.
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Ein Ausschnitt aus der vierseitig­en Mail, die vom Innenminis­terium an die Landespoli­zeidirekti­onen ging und in der sich mehrere „Anregungen“für die Pressearbe­it finden.

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