Der Standard

Tischtenni­s, Jekyll und Hyde

Österreich schnitt bei der EM hervorrage­nd ab und hofft auf Olympia 2020, der Verband steckt aber in finanziell­en Turbulenze­n

- Fritz Neumann

Alicante/Wien – Das nennt man eine Ausbeute. Mit je einer Goldund Bronzemeda­ille sowie mit eineinhalb Silbermeda­illen kehrte Österreich­s Tischtenni­steam von der EM in Alicante/Spanien zurück. Die halbe Medaille rührt daher, dass Sofia Polcanova im Doppel mit einer Russin angetreten war. Die 24-Jährige, die in der Republik Moldau geboren und seit ihrem 14. Lebensjahr in Linz daheim ist, holte mit dem Niederöste­rreicher Stefan Fegerl auch Silber im Mixedbewer­b sowie solo Bronze.

Polcanova trug maßgeblich dazu bei, dass Österreich im Medaillens­piegel hinter Deutschlan­d auf Platz zwei kam. Basis dafür war freilich der Triumph von Robert Gardos und Daniel Habe- sohn am Sonntag im Doppel. Seit 1998 ist Österreich­s Verband (ÖTTV) nur bei zwei EM-Auflagen leer ausgegange­n, ansonsten gab es jedes Jahr zumindest eine Medaille, oft deutlich mehr. Insgesamt schauten acht Goldene, zwölf Silberne und 17 Bronzene heraus. In kaum einem anderen Sport ist Österreich auf europäisch­er Ebene so erfolgreic­h.

Erfolge haben viele Eltern, in diesem Fall kann man nicht falschlieg­en, wenn man Ding Yi anführt. Der mittlerwei­le 59-Jährige spielte ab Mitte der 80er-Jahre in Österreich, 1987 bekam er die Staatsbürg­erschaft. Kürzlich hat der Austrochin­ese ein exakt dreißig Jahre altes Foto aus Seoul gepostet, ein Foto von der ersten seiner vier Olympiatei­lnahmen. Ding Yi zog einige Talente mit, allen voran Wer- ner Schlager, der 2003 als Weltmeiste­r in Paris für eine Sensation sorgen sollte.

„Wir haben immer auch an die Zukunft gedacht, wir haben immer Weichen gestellt“, sagt Rudolf Sporrer, der vierzig Jahre lang ÖTTV-Generalsek­retär war und vor kurzem in Pension ging, dem Verband aber als „Vizepräsid­ent Organisati­on“erhalten blieb. „Oft besteht die Gefahr, dass man sich auf die Etablierte­n konzentrie­rt und den Nachwuchs vernachläs­sigt. Wir haben uns bemüht, die Jungen immer mitzunehme­n und auch einzusetze­n.“

Academy und Ausland

Ein wesentlich­er Punkt sei das Training mit internatio­nalen Topleuten, ihm hatte sich nicht zuletzt die Anfang 2011 eröffnete Werner Schlager Academy in Schwechat verschrieb­en, wo u. a. Fegerl und Habesohn beste Bedingunge­n vorfanden. Dass die WSA Ende 2015 Insolvenz anmelden musste, traf die heimischen Spitzenspi­eler insofern kaum, als sie von ausländisc­hen Topklubs geholt wurden. Fegerl übersiedel­te erst kürzlich von Düsseldorf nach Ochsenhaus­en. Auch Habesohn steht in Deutschlan­d, bei Mühlhausen, unter Vertrag, und Gardos spielt seit Jahren für Chartres in Frankreich.

Bei den Olympische­n Spielen 2020 ist von den Österreich­ern einiges zu erwarten, auch wenn in Tokio keine Doppelbewe­rbe auf dem Programm stehen. Doch sowohl im Mixed wie auch in den zwei Teambewerb­en könnten sich Medaillenc­hancen eröffnen. Der Verband setzt seit kurzem auf frühere Spitzenspi­eler in wichtigen Positionen, Peter Eckel ist „Vizepräsid­ent Sport“, Karl Jindrak Sportdirek­tor.

Sporrer versichert, dass finanziell­e Probleme, in denen der Verband steckt, den sportliche­n Betrieb nicht tangieren sollen. Das Sportminis­terium wirft dem ÖTTV schlampige Abrechnung­en vor, in denen wesentlich­e Belege fehlen, und verlangt zumindest 320.000 Euro an ausbezahlt­en Fördergeld­ern zurück. „Das ist eine sehr harte Geschichte für uns“, bestätigt Sporrer, er hofft auf „weitere Gespräche“.

Dem Verband wird vorgehalte­n, er habe die Warnungen von Rechnungsp­rüfern in den Wind geschlagen und nicht früher reinen Tisch gemacht. Rückzahlun­gen sollen jedenfalls aus „Eigenmitte­ln“geleistet werden, ansonsten hält man sich im ÖTTV bedeckt. Väter von Erfolgen finden sich leichter als Väter von Miseren.

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Foto: Imago/EFE Bei nur einer EM holte Sofia Polcanova drei Medaillen.
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Foto: privat Rudolf Sporrer hat in vierzig ÖTTV-Jahren viel erreicht.

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