Der Standard

Ermittlung­steam soll Arbeitslos­en nachspüren

AMS Niederöste­rreich startet strengere Kontrollen, Sperren von Arbeitslos­engeld um 60 Prozent gestiegen

-

Wien – Nein, eine Bespitzelu­ngseinheit will man nicht aufbauen, heißt es beim Arbeitsmar­ktservice (AMS) in Niederöste­rreich. Wenn allerdings ein „begründete­r Verdacht“besteht, dass ein Arbeitslos­er sich nicht an die ihn treffenden gesetzlich­en Verpflicht­ungen halte, dann wollen die St. Pöltener in Zukunft genauer hinsehen.

Deshalb hat das AMS Niederöste­rreich Mitte September einen eigenen „Erhebungsd­ienst“eingericht­et: Zunächst drei, ab November fünf Mitarbeite­r sollen möglichen Fällen von Sozialbetr­ug nachgehen. Was genau ist geplant? Arbeitslos­e sind verpflicht­et, sich bei Unternehme­n um ihnen zumutbare Jobs zu bewerben. Das AMS wird künftig verstärkt nachprüfen, ob Betroffene die Be- werbung auch ernst genommen haben. Wird bewusst die Annahme einer Stelle sabotiert, droht die Sperre des Arbeitslos­engeldes.

AMS-Mitarbeite­r aus dem Ermittlung­steam werden Arbeitslos­e auch direkt zu Hause aufsuchen. Die Bedienstet­en verfügen natürlich über keine Exekutivge­walt, ihnen nicht aufzumache­n, wenn sie klingeln, verstößt also gegen kein Gesetz der Welt. Doch mittels der „Hausbesuch­e“sollen zum Beispiel Scheinanme­ldungen entlarvt werden, also jene Fälle, bei denen ausländisc­he Staatsbürg­er sich in Österreich wohnhaft melden, obwohl sie eigentlich im Ausland wohnen. Eine Wohnadress­e in Österreich ist die Voraussetz­ung dafür, Arbeitslos­engeld zu beziehen.

Mit den Hausbesuch­en sollen auch Fälle aufgedeckt werden, bei denen jemand neben dem Bezug des Arbeitslos­engeldes kräftig schwarz dazuverdie­nt. Niederöste­rreich ist nicht das erste Bundesland, in dem eine Erhebungse­inheit eingericht­et wird: In Wien existiert eine solche Gruppe bereits seit Jahren, heißt es beim AMS in der Hauptstadt. Diese Einheit hat die Aufgabe, Scheinwohn­sitze zu identifizi­eren und Schwarzarb­eit aufzudecke­n.

Beim AMS in St. Pölten wird die neue Maßnahme damit begründet, dass die Unternehme­n angesichts der guten Konjunktur besonders viele Arbeitskrä­fte nachfragen. Aufgabe des AMS sei es, in dieser Situation geeignete Kandidaten zu finden. Als Begründung wird aber auch angeführt, dass die türkis-blaue Regierung den Kampf gegen vermuteten Sozialbetr­ug forcieren will.

Österreich­weit ist die Zahl der Sperren von Arbeitslos­engeld 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent gestiegen: Zwischen Jänner und August wurden 25.825 Sanktionen verhängt, im selben Zeitraum 2017 waren es nur 16.123 Fälle. Die Dauer der Sperren ist unterschie­dlich, beträgt aber laut Gesetz mindestens sechs Wochen.

Grund für den starken Anstieg ist laut Arbeitsmar­ktservice, dass die Arbeitskrä­ftenachfra­ge in Österreich so stark gestiegen ist. Arbeitslos­e müssen sich also deutlich öfter bewerben als noch im Vorjahr. (szi)

Newspapers in German

Newspapers from Austria