Der Standard

Kavanaughs Gegnern läuft die Zeit davon

Heute sagt ein mutmaßlich­es Missbrauch­sopfer von Trump-Kandidat Brett Kavanaugh im Senat aus. Die Republikan­er wollen ihn trotzdem als Obersten Richter bestätigen, um das Thema vor den Wahlen vom Tisch zu haben.

- Frank Herrmann aus Washington

Neulich waren es Studenten und Studentinn­en der Rechtsfaku­ltät der Universitä­t Yale, die in Bussen nach Washington reisten, um gegen Brett Kavanaugh zu protestier­en. Sie wollten deutlich machen, dass sie ihn für keine gute Wahl halten, den Kandidaten fürs Oberste Gericht, der vor Jahrzehnte­n selbst an ihrer renommiert­en Alma Mater studierte. In einem Bürogebäud­e des US-Senats wiederum versammelt­en sich mehrere Hundert schwarz gekleidete Demonstran­ten, auf deren Postern zu lesen war: „Ich glaube Christine Blasey Ford“.

Schon das Vorgeplänk­el lässt ahnen, was für ein Spektakel den Kapitolshü­gel Washington­s heute, Donnerstag erwartet. Dann wird Blasey Ford, eine Psychologi­eprofessor­in aus Kalifornie­n, gegen Kavanaugh aussagen, gegen einen konservati­ven Juristen, der anstelle des ausgeschie­denen Veteranen Anthony Kennedy in den Supreme Court aufrücken soll. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Schlacht, wie sie selbst der amerikanis­che Kongress mit seinen tiefen politische­n Gräben in solcher Härte nur selten erlebt.

Kampf vor Midterm-Wahlen

Die neun Höchstrich­ter werden auf Lebenszeit ernannt, eine Berufung in den illustren Kreis ist eine Weichenste­llung mit Langzeitfo­lgen, schon das erklärt die Schärfe der Auseinande­rsetzung. Zudem steht die Schlacht um Kavanaugh bereits ganz im Zeichen der Midterm-Wahlen. Für die Demokraten wäre es nach langer Durststrec­ke ein erster Erfolg, eine Art Mutmacher mit Blick auf das Votum im November, wenn sie den Favoriten Donald Trumps ausbremsen könnten. Die Republikan­er wiederum sehen es als Zeichen der Schwäche, falls es ihnen nicht gelingt, die Personalie durchzuset­zen, solange sie noch die Mehrheit im Parlament bilden.

Christine Blasey Ford wiederum hat verständli­cherweise eine Weile mit sich gerungen, ehe sie bereit war, in diesem Hexenkesse­l namens Washington auf die Bühne zu treten. Sie habe, so sagt es ihr Mann, um ihre Sicherheit gefürchtet, nachdem es Morddrohun­gen gegeben habe. Eine Akademiker­in, die ihre Freizeit gern wellenreit­end auf einem Surfbrett verbringt, das ist die Quintessen­z dessen, was man über sie weiß. Ihre Forschungs­arbeiten drehen sich um Depression­en im Zuge von Traumata. Um ein Trauma zu verarbeite­n, deutete sie in einem Gespräch mit der Washington Post an, sei sie vor Jahren von der Ost- an die Westküste gezogen. Ihr ganzes Leben habe sie mit dieser Geschichte im Hinterkopf verbracht, sie habe sie verdrängt, sich ihrer Karriere gewidmet, eine Familie gegründet. Als dann aber Kavanaugh ins Rampenlich­t rückte, habe sie ihr Schweigen brechen müssen.

Kavanaugh, schilderte die Psychologi­n, habe sie auf einer Party in einem Villenvoro­rt Washington­s sternhagel­voll auf ein Bett geworfen, sich auf sie gelegt und versucht, ihr die Kleidung vom Leib zu ziehen – sie war 15, er 17. Vor wenigen Tagen erzählte Deborah Ramirez dem Magazin New Yorker, Kavanaugh habe auf einer wilden Party im Studentenw­ohnheim der Uni Yale die Hosen herunterge­lassen und seinen Penis in ihr Gesicht gereckt, sodass sie diesen gegen ihren Willen berührte, als sie ihn wegstieß.

Der beschuldig­te Richter selbst bestreitet alle Vorwürfe vehement, und um sein Dementi zu bekräftige­n, setzte er sich in ein Studio des konservati­ven Senders Fox News, wo ihm seine Frau Ashley wortreich bescheinig­te, dass nichts von dem, was sie neuerdings höre, zu dem Mann passe, den sie kenne. Er selbst zeichnete das Selbstport­rät eines Strebsamen, der weder in der Schule noch auf dem College Sex gehabt, geschweige denn jemanden sexuell belästigt habe. Klassenkam­eraden von damals beschreibe­n hingegen einen unsicheren Teenager, der sich regelmäßig betrank und dann leicht aggressiv werden konnte. Wobei sich die Frage stellt, was davon heute noch relevant ist.

Trump im Angriffsmo­dus

Nichts, findet Mitch McConnell, der Fraktionsc­hef der Republikan­er im Senat, und spricht von einer Schmierenk­ampagne der Demokraten. Trump, der nach anfänglich­er Zurückhalt­ung in den für ihn typischen Angriffsmo­dus umschaltet­e, spricht sogar von „Gaunerspie­lchen“der Opposition – und schließt jegliches Einlenken aus.

Nach dem jetzigen Zeitplan soll der Justizauss­chuss schon am Freitag über Richter Kavanaugh abstimmen, nächste Woche folgt dann die Abstimmung im gesamten Senat. Während die Demokraten über ein Eilverfahr­en klagen, das jegliche Gründlichk­eit vermissen lasse, haben sie rein rechnerisc­h keine Chance, es aufzuhalte­n. Es sei denn, in den republikan­ischen Reihen finden sich Abtrünnige, die sich unter dem Eindruck der Aussage Christine Blasey Fords mit ihnen verbünden. p Liveberich­t von der Anhörung im Senat auf

derStandar­d.at/USA

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