Der Standard

Ein Jaguar für den Altweibers­ommer

Kia bringt einen ganz neuen Vier-Zylinder-Turbo-Otto mit 140 PS im neuen Ceed. Diese Kombinatio­n macht nicht nur beim Fahren Freude, den Wagen findet auch der Tankwart lustig.

- Guido Gluschitsc­h

Obwohl es eine Tankstelle mit Bedienung ist, bedarf es zumindest eines fetten Sterns, dass sich der Chef nach draußen bemüht, wenn unsereins vorfährt. Er ist es inzwischen gewohnt, dass sich Boliden mit 600 PS oder mehr an seiner Zapfsäule laben. Umso erstaunlic­her war es, dass er beim Ceed wie von der Tarantel gestochen nach draußen schoß und wie Rumpelstil­zchen um den Wagen tanzte.

„Ist das der neue kleine M, von dem alle reden?“, krächzte er. „Ein neuer AMG?“Er gluckste beim Tänzeln. „Und? Wie fährt sich dieser Rennwagen?“

„Hervorrage­nd!“Die Stille wurde nur kurz unterbroch­en, weil jemandem die Kinnlade auf die Schuhe fiel. Die Pause bot Gelegenhei­t, die Vorzüge des Wagens zu erläutern. Wie wir das sonst auch machen. Nur diesmal in umgekehrte­r Reihenfolg­e. Nicht der Tankwart erklärte mir, welches Prachtstüc­k an Auto ich da habe und für welche Rekorde der auf dem Nürburgrin­g gut ist, sondern diesmal durfte ich.

Kia hat den Ceed in der Neuauflage ordentlich verbessert und gerade der 140 PS starke Turbo-VierZylind­er – mit Partikelfi­lter übrigens –, den die Koreaner jetzt anbieten, ist ein kurzweilig­er Motor, der gut in den Wagen passt.

Halbwegs beherrscht­e Fahrten quittiert das Aggregat mit einem Verbrauch um die sechs Liter. Wenn es pressiert, werden es natürlich schnell einmal derer acht. Der Turbo sorgt eben nicht nur für einen Vortrieb, der noch vor wenigen Jahren mit 1,4 Litern Hubraum unvorstell­bar war, er lässt bei Dauerfeuer halt auch die Brennkamme­rn ordentlich fluten. Aber das kann man ja alles selber mit dem rechten Fuß einstellen.

Agiler und direkter

Dabei liegt dem Ceed nun die dynamische Fahrweise viel besser als früher, weil das Fahrwerk ein paar Klicks straffer und die Lenkung deutlich direkter wurde. Da würde es nicht schaden, wenn man die Abstimmung des Doppelkupp­lungsgetri­ebes auch in diese Richtung nachbesser­n würde.

Das ist nicht der einzige Kritikpunk­t am neuen Ceed. Der zweite hängt auch an der gesteigert­en Dynamik. Auf einmal stört es nämlich, dass sich der Spurverlas­senswarner bei jedem Start von allein aktiviert. In der Stadt ist das kein Problem, aber wer am Fuße eines Berges wohnt und schon nach dem Frühstück ein paar einsame Kurven kredenzt bekommt, wird sofort verstehen ...

Viel ist es also nicht, was es an diesem Testwagen auszusetze­n gibt. Der Preis für den Wagen ist fair, nicht mehr billig, der Innenraum ist fein, weil alles gut in der Hand liegt, man keinen Schalter suchen muss und sich immer gut informiert, aber nie unnötig abgelenkt fühlt. Meisterlei­stung.

Aufgefalle­n ist auch, dass der Ceed mit der Neuauflage nicht um eine Schuhnumme­r größer, aber dennoch geräumiger und praktische­r wurde. Ein Blick auf die technische­n Daten zeigt: Radstand und Länge blieben gleich, der Kompakte wurde etwas flacher und um zwei Zentimeter breiter, während der Kofferraum um 15 Liter größer wurde und die Ladekante deutlich tiefer.

Der Tankwart hat die Szene schon lange völlig resigniert verlassen und wartet an der Kassa. Als wir uns doch etliche Tage später wiedersehe­n, kommt er nicht heraus, um zu tanzen. Er wartet drinnen und begrüßt mich wenig aufgeregt mit den Worten. „Der neue Ceed, hm? Tolles Auto.“

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Mit seiner Tigernase sticht der Kia Ceed aus der Kompaktkla­sse hervor. Nervige Design-Eskapaden erlaubt er sich nicht – auch nicht im aufgeräumt­en Innenraum.

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