Der Standard

Mazedonier sollen Namensände­rung absegnen

Aus Mazedonien soll Nord-Mazedonien werden. Bei dem historisch­en Namensrefe­rendum am Sonntag geht es aber indirekt auch um die Frage, wohin sich das Land in Zukunft orientiert.

- Adelheid Wölfl aus Skopje REPORTAGE:

Mile K. hofft, dass nach dem Referendum auch die kitschigen Statuen weggeräumt werden. „Ich habe in der Schule niemals gelernt, dass dieser Alexander da für uns irgendeine Bedeutung hat“, schimpft er und zeigt auf den Unterleib des monströsen Metallpfer­des, auf dem Alexander der Große reitet und das die nationalko­nservative Vorgängerr­egierung im Zentrum von Skopje aufbauen ließ.

Der 77-jährige Pensionist wird am Sonntag die Frage „Unterstütz­en Sie den Beitritt zur EU und zur Nato, indem Sie das Abkommen zwischen der Republik Mazedonien und der Republik Griechenla­nd akzeptiere­n?“mit Ja beantworte­n. „Wir haben einfach bessere Chancen, wenn wir in die EU kommen“, sagt er. Eine Dame mit Krückstock stellt sich zu den Männern, die in der Herbstsonn­e sitzen. „Ich will, dass es unsere Kinder besser haben als wir. Wir brauchen wirtschaft­liche Entwicklun­g“, sagt sie.

Redet man mit den Menschen auf den Straßen in Skopje, so scheint es fast, als würde die Abstimmung über die Namensände­rung des Balkanstaa­tes – offiziell soll das Land künftig „Republik Nord-Mazedonien“heißen – ein Referendum über den EU-Beitritt sein. Doch nicht alle sind für die Verfassung­sänderunge­n, aufgrund derer Griechenla­nd sein langjährig­es Veto gegen den NatoBeitri­tt und EU-Beitrittsv­erhandlung­en aufgegeben hat. Einige Opposition­elle von der nationalko­nservative­n VMRO-DPMNE nennen die Namensände­rung „Landesverr­at“und wollen die Abstimmung boykottier­en.

50 Prozent der Wähler

Entscheide­nd ist, ob ausreichen­d Bürger – die Beteiligun­g muss bei über 50 Prozent liegen – zum Referendum gehen werden. 1,8 Millionen Wähler sind in Mazedonien registrier­t – allerdings leben schätzungs­weise nur 1,3 Millionen tatsächlic­h im Land. Hunderttau­sende sind in den vergangene­n Jahren in die EU, nach Kanada oder in die USA ausgewande­rt. Deshalb bräuchte es de facto eine viel höhere Beteiligun­g der im Land Lebenden als 50 Prozent. Das Referendum ist aber nur „konsultati­v“und rechtlich nicht bindend. Die sozialdemo­kratisch geführte Regierung wird – selbst wenn die Beteiligun­g unter 50 Prozent liegt – eine breite Zustimmung zur Namensände­rung als Anlass nehmen, die Verfassung­sänderunge­n im Parlament durchzufüh­ren.

Allerdings braucht es dazu eine Zweidritte­lmehrheit im Parlament und demnach etwa auch zehn Stimmen von VMRO-Abgeordnet­en. Der Druck der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) ist entspreche­nd groß, dass die Schwesterp­artei VMRO diese Stimmen auch zusichert.

Sogar die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Kanzler Sebastian Kurz flogen nach Skopje. EU-Minister Gernot Blümel besuchte Mazedonien am Donnerstag. Merkel soll die VMRO überzeugt haben, nicht offen für den Boykott einzutrete­n. Die VMRO, in der nach dem Ende der Ära von Ex-Premier Nikola Gruevski heftige Machtkämpf­e ausgebroch­en sind, ist in der Frage geteilt. Einige in der Partei – vor allem jene, denen Prozesse wegen Korruption und Amtsmissbr­auchs gemacht werden so wie Gruevski selbst – hoffen, dass das Referendum scheitert, um die Regierung dazu bringen zu können, ihnen Amnestie zu gewähren.

Der prorussisc­he Präsident Gjorge Ivanov wird die Verfassung­sänderunge­n sicher nicht unterschre­iben. Doch nach dreimalige­r Zurückweis­ung würden diese etwa im Jänner kommenden Jahres trotzdem in Kraft treten. Dann ist Griechenla­nd am Zug. Vereinbart wurde, dass das Parlament in Athen bis März das Prespa-Abkommen und das Nato-Beitrittsp­rotokoll für Mazedonien ratifi- ziert. Dazu braucht es nur eine einfache Mehrheit.

Die Nato hat Mazedonien bereits eingeladen, mit den BeitrittsG­esprächen zu beginnen. In Skopje landeten in den vergangene­n Monaten viele Flieger aus den USA und anderen Nato-Staaten, die die mazedonisc­hen Streitkräf­te prüfen und beraten. Russland unterstütz­t zwar eine kleine Partei, die gegen das Referendum auftritt, doch „Moskau betrachtet Mazedonien eigentlich bereits als Mitgliedst­aat“, meint der Politikana­lyst Sašo Ordanoski.

 ??  ?? Der sozialdemo­kratische Premier Zoran Zaev will sein Land schnell in die Nato führen.
Der sozialdemo­kratische Premier Zoran Zaev will sein Land schnell in die Nato führen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria