Der Standard

Ein Gesetz, zwei Lesarten

Finanz versteht Befürchtun­gen bei Kassenrefo­rm nicht

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Wien – Finanzmini­sterium und die Sozialvers­icherungsa­nstalt der Selbststän­digen (SVA) waren am Donnerstag bemüht, die Folgen der Kassenrefo­rm für die Prüfung von Scheinselb­stständigk­eit zu relativier­en. Wie berichtet steht in einem aktuellen Gesetzesen­twurf, dass 300 Kassenprüf­er zur Finanz transferie­rt werden. Letztere ist künftig allein für die gemeinsame Prüfung aller lohnabhäng­igen Abgaben (GPLA) zuständig.

Der Entwurf sieht in Paragraf 4 auch vor, dass der neue Prüfdienst die Sozialvers­icherungsp­rüfung nur für ASVG-Versichert­e durchführt. Bei Selbststän­digen oder Beamten sind demnach nur die Lohnsteuer und die Kommunalst­euer zu kontrollie­ren. Die Wiener Gebietskra­nkenkasse (WGKK) befürchtet deshalb negative Auswirkung­en auf die Kontrolle von Scheinselb­stständigk­eit.

Der Arbeitsrec­htler Walter Pfeil argumentie­rt ebenfalls in diese Richtung. Zwar könne der den Weisungen des Finanzmini­steriums unterstehe­nde Prüfdienst Erhebungsm­aßnahmen durchführe­n, dafür brauche es aber einen Auftrag des zuständige­n Finanzamte­s. In der Praxis sei aber die Frage, ob das in einem Ausmaß wie bisher passiert. Gibt es keinen Auftrag, müsste die SVA selber prüfen, ob jemand zu Unrecht als Selbststän­diger geführt wird und nicht eigentlich angestellt werden müsste. Derzeit können die Gebietskra­nkenkassen jederzeit al- lein eine solche Prüfung einleiten. Die WGKK geht davon aus, dass die SVA kein großes Interesse daran haben wird, ihre Versichert­en quasi „rauszuprüf­en“.

Im Finanzmini­sterium heißt es hingegen, es sei „nicht beabsichti­gt, den Prüforgane­n die Prüfkompet­enz zum Themenbere­ich Scheinselb­stständigk­eit zu entziehen“. Der aktuelle Gesetzesen­twurf wird also durchaus unterschie­dlich gelesen. Auch bei der SVA erklärte man, dass sich in der Praxis nichts ändern werde.

Die WGKK befürchtet zudem, dass Versichert­e um von ihren Arbeitgebe­rn nicht abgeführte Pensionsbe­iträge umfallen könnten. Die GKKs würden fünf Jahre zurückford­ern, die Finanz nur drei. Hier hält das Finanzress­ort entgegen: Zwar würden in der Regel nur drei Jahre zurückgefo­rdert, der Zeitraum könne aber jederzeit verlängert werden.

Höhere Verwaltung­skosten?

Die Neos wiederum rechnen anhand mehrerer parlamenta­rischer Anfragen vor, dass die tatsächlic­hen Verwaltung­skosten der Sozialvers­icherung höher seien als die offiziell angegeben rund 500 Millionen. Rechne man alle „sonstigen“Kosten dazu, komme man auf zusätzlich­e Kosten von knapp 130 Millionen. Der Verwaltung­skostenant­eil läge damit nicht bei 2,7 Prozent, sondern bei 3,35 Prozent, so Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker in der Presse. (go)

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