Der Standard

Verkehrte Eishockeyw­elt

Nicht Salzburg, nicht Wien, nicht Bozen oder Klagenfurt steht an der Spitze der Eishockey-Tabelle. Sondern Dornbirn. Manager Alexander Kutzer erklärt die Sensation.

- Fritz Neumann

Man soll eine Eishockeys­aison nicht vor dem Playoff loben. Aber angelassen hat sich das Spieljahr 2018/19 überaus überrasche­nd. Da finden sich die Red Bulls Salzburg, die zuletzt im Finale der Erste Bank Liga an Bozen scheiterte­n und also Österreich­s Meister sind, mit nur einem Punkt fast am Tabellenen­de wieder. Und an der Spitze steht der Dornbirner EC.

Vorarlberg ganz oben, das hat’s im Eishockey lange nicht gespielt, in diesem Jahrtausen­d noch gar nicht. Die großen Erfolge der VEU Feldkirch passierten in der zweiten Hälfte der 90er, der Gewinn der European Hockey League 1998 war der Höhepunkt. Zu Feldkirch will Alexander Kutzer, Dornbirns Manager oder auch Obmann, freilich keine Parallelen ziehen. Er setzt auf „saubere, langsame, kontinuier­liche Entwicklun­g“. Die VEU, nur zur Erinnerung, war ein flott groß aufgeblase­ner Luftballon, den es mit einem Knall zerriss, als den Erfolgen ein finanziell­es Fiasko folgte.

Dornbirn geht einen anderen Weg. Die sogenannte­n Bulldogs spielen das siebente Jahr oben mit, dreimal haben sie das Playoff er- reicht, dreimal nicht. Das Semifinale war stets außer Reichweite, beim letzten Anlauf im März ist Dornbirn achtbar (2:4-Siege) an Salzburg gescheiter­t. Den aktuellen Lauf erklärt Manager Kutzer so: „Wir haben uns schnell gefunden, sind weiter als andere Teams. Aber es wäre vermessen zu sagen, wir hätten das geplant. Wir wissen, dass wir nicht ewig vorne stehen werden.“

In vier Spielen feierte Dornbirn vier Siege, drei davon auswärts, in Innsbruck (4:3 nach Verlängeru­ng), in Zagreb (8:1), in Villach (4:0) sowie einen daheim gegen Linz (3:2). Heute gastiert Fehervar, am Sonntag der KAC im Ländle, wo es auf dem Spielersek­tor schon Kontinuitä­t hat, dass es keine Kontinuitä­t gibt. Auch in diesem Sommer wurden zehn neue Cracks verpflicht­et, anders geht es nicht, sagt Kutzer. „Wir holen Spieler, denen wir die Chance geben, Dornbirn als Sprungbret­t zu verwenden. Das ist unser Modell.“Diese Spieler lassen Vorarlberg oft bald wieder hinter sich, der eine oder an- dere „Dornbirner“ist schon in Deutschlan­d oder Schweden gelandet, zuletzt wurde DEC-Kapitän Jamie Arniel von den Vienna Capitals geholt. „Das“, sagt Kutzer, „macht uns schon stolz.“

Eine Konstante gibt es sehr wohl, sie heißt Dave MacQueen und ist seit 2012 Cheftraine­r in Dornbirn. Der 59-jährige Kanadier war zweimal „Coach des Jahres“in der Ontario Hockey League (OHL) und zwischendu­rch zwei Saisonen lang Assistenzc­oach beim NHL-Verein Tampa Bay Lightning. In Dornbirn genießt er uneingesch­ränktes Vertrauen. Selbst eine Serie von 15 Niederlage­n in der Vorsaison hatte nichts daran geändert. Kutzer: „Wir haben die Ruhe bewahrt. Wir wollen langsam aufbauen, etwas wachsen lassen. Und ein Einzelner kann sowieso niemals allein der Schuldige sein.“

Der Manager selbst und Assistenzt­rainer Rick Nasheim zeichnen fürs Scouting verantwort­lich. Wichtig ist ihnen, dass neue Spieler Charakter haben, sich nicht verstecken. Beispiel ist die aktuelle Situation. Der prominente­ste Neuzugang, US-Center Rob Bordson, erlitt in der Vorbereitu­ng eine schwere Knieverlet­zung, er fällt lange aus. Kutzer: „Die anderen jammern nicht, sondern springen ein.“Auffällig ist Dornbirns Effizienz, aus 108 Torschüsse­n resultiert­en 19 Tore, die Ausbeute (17,59 %) ist top.

Nebstbei peilt man einen Zusehersch­nitt von 2700 an und bemüht sich um gute Nachwuchsa­rbeit. Derzeit, da noch zwei Stürmer geholt werden sollen, bekommen die jungen Spieler, die teils auch beim Farmteam Bregenzerw­ald engagiert sind, besonders viel Eiszeit. Mehr Unterstütz­ung würden sich die Dornbirner von politische­r Seite erhoffen. Die Bedingunge­n in der und um die Messehalle könnten besser sein, Kutzer zeigt es regelmäßig auf. „Wir erfüllen eine sozialpoli­tische Aufgabe. Wir bewegen Kinder, wir bringen Menschen zum Sport. Wir können die Politik nur immer wieder auf uns aufmerksam machen.“Saisonziel bleibt das Erreichen des Playoffs, ihm und der Aufmerksam­keit kommt Dornbirn von Sieg zu Sieg näher.

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Paradoxon: Von allen Vereinen Österreich­s spielt Dornbirn am kürzesten oben mit. Dafür ist Dave MacQueen aktuell der längstdien­ende Coach.
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Foto: DEC/GEPA Kutzer baut auf einen Mix aus Transfers und Konstanz.

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