Der Standard

Lego für Fortgeschr­ittene

Auf dem Weg zur Massenelek­tromobilit­ät hat VW ein wichtiges Etappenzie­l erreicht: Der MEB, der Modulare Elektrifiz­ierungsbau­kasten, ist fertig. Auf ihm kommen ab 2020 gleich einmal 27 E-Mobile von fünf Konzernmar­ken.

- Andreas Stockinger aus der Gläsernen Manufaktur in Dresden

Motor hinten, vorn alles glatt und kein Kühlergril­l, annähernd kugeliges Design. Kommt Ihnen vertraut vor, Käfer und so? Getreu dem vielzitier­ten Wort, Tradition sei nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers, fährt VW in die Ära der Elektromas­senmobilit­ät. Der erste Sendbote, der I.D. (spricht man’s Deutsch aus, ergibt sich phonetisch Idee), kommt aus Zwickauer Fertigung Anfang ’20 als Rundling mit Heckantrie­b und ohne Kühlergril­l. Mit idealer Achslastve­rteilung von 50:50.

Damit wäre schon einmal eine technische Grundkonst­ellation angerissen. Detaillier­teren Einblick gewährte VW dazu in einem Techniktag in der Gläsernen Manufaktur im prachtvoll­en Elbflorenz, wo von 2002 bis 2016 mit – ähm: mäßigem Erfolg der Phaeton gebaut wurde, seit 2017 ein Zentrum für Zukunftsmo­bilität untergebra­cht ist und zudem derzeit der E-Golf vom Band läuft.

Es ging um den MEB von VW, den Modularen Elektrifiz­ierungsbau­kasten, der nun mehr oder weniger fertig (definiert) ist und die Grundlage für viele, viele E-Autos von Golf- bis über Passatgröß­e bilden wird. Die hochflexib­le Architektu­r ermöglicht eine Art Lego für Fortgeschr­ittene. Für größere, noblere, auch weniger preissensi­ble Gebinde tüfteln Audi und Porsche gerade an der PPE (Premium Plattform Elektro), welche gegen Ende 2021 startberei­t sein soll.

MEB-Kern ist die Batterie im Flachmannf­ormat – das halten aus nachvollzi­ehbaren Gründen jetzt alle so –, die unterfluri­g eingebaut und je nach Energieinh­alt skalierbar konzipiert ist, das heißt: unterschie­dlich groß geraten wird. Für den I.D. sind drei verschiede­ne Dimensione­n (und Fahrzeugei­nstiegspre­ise) vorgesehen, die ihn nach WLTP-Zyklus zwischen 330 und 550 km weit bringen sollen – wir raten für die mittlere Batterie einfach mal: 440 km Reichweite?

Weiters ist ein Leergewich­t ab etwa 1600 kg avisiert, eine Batteriega­rantie von 160.000 km oder acht Jahren, und der E-Motor leistet vermutlich um die 125 kW (170 PS). Anders als beim alten Käfer ist auch Allrad darstellba­r, dann kommt an der Vorderachs­e einfach ein weiterer E-Motor dazu.

Räder an die Ecken

Der Konzeption mit der Batterie inmitten wegen wandern die Räder weit raus an die Ecken, lange Radstände sind die Folge (sowie große Räder) und kurze Überhänge. Der I.D. wird zwar etwas kürzer als der Golf, bietet aber im Innen- und Kofferraum mehr Platz. Der Mitteltunn­el entfällt, und wegen des Unterflurk­onzepts wird das Auto auch ein bisserl höher.

Sechs Milliarden Euro investiert VW in die E-Mobilität, bis 2022 sollen sich schon 27 MEBler von VW, Seat, Škoda, Audi (die kleinen E-Autos) und VWN (I.D. Buzz Cargo) auf den Straßen die- ser Welt tummeln. „Autos für Millionen, nicht für Millionäre“, sagt VW – heißt in Zahlen: Zwischen 2020 und 2025 soll der Absatz der Batterieel­ektriker von 100.000 auf eine Million hochschnal­zen.

In Salzgitter wurde übrigens als Teil eines strategisc­hen Projekts ein Konzern-Kompetenzz­entrum zur Bündelung des BatterieKn­ow-hows eingericht­et, spezielle Chemiker und Elektriker sind gefragt. Die derzeit 100 Mitarbeite­r wachsen nächstes Jahr auf 300 an. Momentan wird eine Prüflinie errichtet, Serienprod­uktion ist dort aber keine vorgesehen.

Die modular aufgebaute­n Multi-Zell-Batterien werden in Braunschwe­ig gebaut, die dortige Kapazität ist auf 500.000 Batterien jährlich ausgelegt. Um sich nicht von bloß einem (Fernost-)Hersteller abhängig zu machen, können prismatisc­he ebenso wie Pouch-Zellen verwendet werden, und zur Veranschau­lichung der Komplexitä­t dieser Batteriesy­steme: Sie bestünden aus bis zu 2500 Einzelteil­en, hieß es beim Workshop in Dresden. Wie überall ist die Feststoffb­atterie noch Zukunft, diese soll aber vor 2030 Realität werden.

Bei allen Ideen-VWs ist induktives Laden bereits vorbereite­t, es wird jedoch nicht von Anfang an möglich sein. Und neben dem Wallbox-Laden (I.D. mit 11 kW: 6 h Ladedauer, 22 kW: 3 h) werden sie alle schnelllad­efähig sein, Ladeleistu­ng: bis 125 kW. An Gleichstro­m-Stationen – Stichwort: Ionity-Ladeinfras­truktur, gemeinsam mit Daimler, BMW und Ford – ist der I.D. in einer halben Stunde zu 80 Prozent geladen. Automatisc­h parken und laden? „Kommt in weniger als fünf Jahren“, orakelt VW.

Die Technik hat VW also gut im Griff, nur im Ausdruck hapert es mitunter. Sonst bekäme man keine Sager zu hören wie „Wir sind bereit für eine neue Zukunft.“Gibt es auch eine alte? Hieße die nicht Vergangenh­eit? Besser nicht fragen. Schon gar nicht auf Deutsch.

 ??  ?? Der I.D. links oben (darunter die ersten vier I.D.-Mobile) ist noch die Studie, aber das Auto im Golf-Format, mit dem VW die Elektroära in großem Stile startet, wird recht ähnlich aussehen. Rechts nimmt VW-Sprecherin Sonja Tyczka Platz im MEB-Demonstrat­or, drunter ein Hinweis auf das im Entstehen begriffene Ionity-Ladenetz mit 350-kW-Ladesäulen.
Der I.D. links oben (darunter die ersten vier I.D.-Mobile) ist noch die Studie, aber das Auto im Golf-Format, mit dem VW die Elektroära in großem Stile startet, wird recht ähnlich aussehen. Rechts nimmt VW-Sprecherin Sonja Tyczka Platz im MEB-Demonstrat­or, drunter ein Hinweis auf das im Entstehen begriffene Ionity-Ladenetz mit 350-kW-Ladesäulen.

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