Handelskrieg könnte schwere Rezession auslösen
Deutscher Weisenrat sorgt sich und senkt Prognose
Berlin/Wien – Der deutsche Konjunkturmotor läuft zwar ziemlich rund, doch die führenden Wirtschaftsforscher des Landes zweifeln an der Nachhaltigkeit des Aufschwungs. Sie haben ihre Erwartungen für heuer deutlich heruntergeschraubt. Das Wachstum wird jetzt mit 1,7 Prozent angenommen, im Frühjahr waren noch 2,2 Prozent prognostiziert worden. Allerdings rechnen die Forscher nicht mit einem weiteren Rückgang der Steigerungsraten, womit die deutsche Wirtschaft bis 2020 und damit elf Jahre lang ununterbrochen gewachsen wäre.
Die Ökonomen, darunter auch Forscher des in Wien ansässigen Instituts für Höhere Studien (IHS), verweisen in ihrem Herbstgutachten allerdings auch auf die gesteigerten Risiken, insbesondere ein Handelskrieg mit den USA, der in eine „schwere Rezession“münden könnte. Vor allem die – derzeit freilich auf Eis gelegte – Einführung von Strafzöllen auf europäische Fahrzeugexporte würde Deutschland hart treffen.
Die Experten raten der Regierung angesichts voller Staatskassen zu einer Bildungsoffensive und niedrigeren Sozialabgaben. Deutschland müsse mit solch langfristig angelegten Projekten fitgemacht werden für die Zukunft, betonten die Ökonomen am Donnerstag bei der Vorstellung ihres Herbstgutachtens für die Bundesregierung. Darin kommen kürzlich beschlossene Ausgaben – etwa das Baukindergeld – nicht gut weg. Sie würden den aktuellen Bauboom nur noch befeuern und die Preise in die Höhe treiben.
Kritik an Politik
„Im Bildungsbereich gibt es viel zu tun“, sagte der Vize-Präsident des IWH Halle, Oliver Holtemöller. Gleiches gelte für die Integration von Flüchtlingen. Auch könnten die Beschäftigten von den im internationalen Vergleich hohen Sozialabgaben entlastet werden. Dies alles könne dazu beitragen, die Aussichten für die Konjunktur langfristig zu verbessern. Den Pensionsbeschlüssen der großen Koalition – etwa die Ausweitung der Mütterrente – gewinnen die Wissenschafter wenig ab. Schließlich sei die Armutsgefährdung bei Rentnern geringer als etwa bei Alleinerziehenden.
Für Geldverschwendung halten die Experten die Maßnahmen gegen Wohnungsnot. „Kurzfristige Initiativen wie das Baukindergeld führen tendenziell zu Mitnahmeeffekten und steigenden Kosten, weil die Bauwirtschaft ohnehin gut ausgelastet ist“, so der Konjunkturchef des Essener RWIInstituts, Ronald Döhrn. (red)