Der Standard

Online zieht Händlern das Hemd aus

Textilkett­en waren eine Bastion der Innenstädt­e. Viele weichen nun dem Druck des Onlinehand­els. Gastronome­n haben nur bedingt Appetit auf die freigeword­enen Flächen.

- Verena Kainrath

Sie sind die bunten Flaggschif­fe einer jeden Einkaufsst­raße. Auch kein Shoppingce­nter wagt es, auf sie zu verzichten: Modehändle­r ziehen Kunden an, und die Innenstadt ist ihre Festung. Hinter der Fassade bröckelt es aber gehörig, und das nicht erst, seit der heiße Sommer vielen von ihnen heuer einen harten Strich durch die Rechnung machte.

Knapp ein Fünftel der Textilien in Österreich wird bereits online gekauft, sagt Rainer Will. Für den Chef des Handelsver­bands ist das erst der Anfang: Denn in Großbritan­nien dominierte­n Internetri­esen mittlerwei­le die Hälfte des gesamten Bekleidung­sgeschäfts.

Im stationäre­n Handel hingegen schwächeln Newcomer wie Desigual nicht weniger als alte Hasen der Branche wie Hennes & Mauritz. Einst hippe Marken wie Mango weichen stärkeren Rivalen wie Zara. Traditiona­listen wie Charles Vögele schlittern in die Pleite und sind trotz neuer Eigentümer nicht davor gefeit, filetiert zu werden.

Es sind neben der Konkurrenz im Web neue Einkaufsge­wohnheiten, die Textilkett­en zusetzen. Anstatt in das 50. T-Shirt und die 20. Hose investiere­n viele Konsumente­n ihr Geld lieber in Freizeitan­gebote und soziale Events. Angesichts des massiven Überangebo­ts an Ware sinken die Durchschni­ttspreise. Online wird Mode im großen Stil billig verramscht. Händler, die mit ihren Kollektion­en langsamer sind als der Mitbewerb, haben wenig Chancen. Wer dafür ein Jahr Vorlaufzei­t braucht, ist bald weg vom Schaufenst­er.

Hannes Lindner, Geschäftsf­ührer des Beraters Standort + Markt, beobachtet das Kommen und Gehen in der Branche seit Jahren. Er klopfte nun in einer Studie ab, wie E-Commerce die Struktur des stationäre­n Handels beeinfluss­t.

Unter der Lupe waren die Geschäftsf­lächen der 15 größten österreich­ischen Städte. Als Verlierer macht seine Studie vor allem Modeanbiet­er aus: Ihr Flächenant­eil sank in den vergangene­n fünf Jahren von 35,5 auf 33,2 Prozent.

Textilkett­en bewerteten stationäre Filialen neu, resümiert Lindner. „Die einstige Bastion der Cities wird durch den E-Commerce scheibchen­weise demontiert.“

Mehr Leerstand

Unter dem Strich sind die Einkaufsfl­ächen hierzuland­e trotz Internetha­ndels weiterhin leicht am Wachsen, was das oft zitierte Sterben stationäre­r Geschäfte in den Innenstädt­en konterkari­ert. Lindner verweist jedoch auf eine Leerstands­quote von 5,9 Prozent im Vergleich zu vier Prozent 2013. In kleinen Bezirkshau­ptstädten liege sie bereits bei 13,5 Prozent. Grund für die Diskrepanz: Der Handel ersetzt schlechte Lagen durch gute. Für die aufgelasse­nen Flächen finden sich kaum Nachmieter.

Was hat sich am Erscheinun­gsbild der Innenstädt­e sonst noch geändert? Dienstleis­ter wie Banken und Reisebüros machen sich rarer, zeigt die Studie. Fitnesscen­ter und Kasinos gewannen an Boden. Anbieter von Wohnaccess­oires haben aus Lindners Sicht überrasche­nd an Fläche zugelegt. Weniger Appetit als erwartet hatte die Gastronomi­e auf freigeword­ene Shops. Sie besetzt nunmehr rund 13 Prozent der Flächen.

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