Fellner über Regierungsinserate: „Schaffen wir das ab!“
Viel Humor und viel Optimismus: „Boulevard gegen Qualität“bei den Medientagen
Wien – Florian Scheuba, Kabarettist und STANDARD- Kolumnist, hatte es am Donnerstagvormittag leicht mit diesem Panel, schon bei der Vorstellungsrunde konnte er sein kabarettistisches Talent unter Beweis stellen. Österreichs bekanntesten Boulevardmacher Wolfgang Fellner stellte er als Kai Diekmanns Sidekick, „gratis und trotzdem käuflich“, vor.
Weniger konfrontativ stieg Christian Rainer, Chefredakteur und Herausgeber des Profil, in die Diskussion „Boulevard vs. Qualität“bei den Österreichischen Medientagen ein. Er verteilte Komplimente und nannte die Bild- Zeitung die „qualitätsvollste Tageszeitung“überhaupt, die sehr professionell gemacht sei. „Aber wir sollten auch über das Niveau reden“, legte Rainer in Richtung Diekmann, Ex-Chefredakteur der Bild, nach. „Der Erfolg von Medien hängt ein Stück weit davon ab, wie gut man beim Publikum ankommt“, und die Bild formuliere eben „voraussetzungsfrei“, erwiderte Diekmann. „Wir wollen Komplexität reduzieren, das ist ein Qualitätsanspruch.“
Lob für „Kronen Zeitung“
Diekmann predigte noch lange darüber, wie „man die Kirche vollkriegt“, doch Christian Rainer unterbrach mit dem Hinweis, dass der Aufmacher der Bild- Zeitung vom Mittwoch, „Tagsüber ist Sommer, nachts ist Winter“, auch keinerlei Voraussetzungen brauche – „da brauche ich nicht einmal weiterlesen“, so Rainer.
Die größte heimische Boulevardzeitung war nicht bei der Diskussion vertreten, wurde aber von Fellner ins Boot geholt und prompt gelobt. Dass Menschen die Krone, Österreich und Heute in so großer Zahl lesen würden, liege an der Qualität der Zeitungen. Seine Zeitung würden die Menschen und vor allem Jugendliche „aktiv entnehmen“, um „zehn bis 30 Minuten“darin zu lesen.
Muss „süchtig machen“
Nicht nur die Zeit, sondern auch die Mühe, um an eine Boulevardzeitung zu kommen, betonte Diekmann: Die Bild- Leser müssten sich „bei Wind und Regen zum Kiosk“aufmachen, deswegen müsse eine Boulevardzeitung eben „süchtig machen“.
Das Phänomen der Regierungsanzeigen in Österreich wollte Diekmann nicht kommentieren, er findet sie aber grundsätzlich problematisch, denn „das kann eventuell zu politischem Druck führen“. Fellner wurde bei dem Thema direkter und sehr aufgeregt: Zeitungen würden in Österreich „raubrittermäßig von der Regierung besteuert, die Regierung saugt fünf Prozent des Erlöses wie ein Vampir ab“. Das System der Regierungsinserate habe sich „vor langer Zeit eingeschlichen“, und er sei der Erste, der sage: „Schaffen wir das ab!“
Für einen Stimmungseinbruch sorgte Diekmann mit dem Einwurf: „Zeitungen kennen derzeit nur eine Richtung – nach unten.“Die eigentliche Frage sei: „Mit welchen Inhalten erreichen wir die Jungen?“Die Presse sei gerüstet und optimistisch, meinte Rainer Nowak, Herausgeber und Chefredakteur der Tageszeitung Die Presse, 19 Prozent der Abos seien digital, rund 14.000 OnlineAbonnenten hat die Tageszeitung derzeit. Profil- Chef Rainer wollte allerdings gar nicht über das Internet reden: „Wir werden uns nicht durch Erlöse im Internet finanzieren. Wir müssen so gut sein, dass sich der Leser das Luxusprodukt Magazin leistet.“Er verglich Profil mit Jimmy-Choo-Schuhen – die seien „nicht notwendig“, aber man zahle dafür.
Fellner beklagt sich
Zum Abschluss wollte Scheuba Statements zum aktuellen Thema der Medienbranche: der Mail aus dem Innenministerium, in der den Landespolizeidirektionen ein anderer Umgang mit „kritischen Medien“wie STANDARD, Kurier und Falter nahegelegt wird.
Rainer betonte, dass „das, was sonst heimlich passiert“, nun zur Doktrin geworden sei. Der größere Skandal sei aber, dass nun „in überproportionaler Form über sexuelle Übergriffe von Ausländern“berichtet werden solle.
Nowak erkennt aktuell ein Muster: Derzeit „hat man ein Problem mit kritischen Zeitungen. Wir müssen gemeinsam eine rote Linie ziehen.“
Print bleibt optimistisch
Überraschend optimistisch ging es auch bei der folgenden Diskussionen zu, obwohl von den fünf Tageszeitungsjournalisten und -journalistinnen vier zugaben, in der Früh Nachrichten nur digital zu konsumieren.
Österreich ist immer noch ein verhältnismäßig starkes PrintLand, hieß es von der Moderatorin Marlene Auer (Horizont). Man könne auch beim STANDARD nicht in „ein tiefes Jammertal sinken“, betonte Nana Siebert, stellvertretende Chefredakteurin des STANDARD, unter Verweis auf die Steigerung der Vollzeitabos und der digitalen Zugriffe.
Keine Diskussion über Medien kommt ohne die Frage aus, wie man die junge Zielgruppe, die sogenannten Millennials erreichen könnte. „Es ist eine simple Frage“, sagt Markus Mair (Styria Media Group), „aber schwierig, wenn es um die Lösung geht.“Zeitungen müssten viel ausprobieren.