Der Standard

Fellner über Regierungs­inserate: „Schaffen wir das ab!“

Viel Humor und viel Optimismus: „Boulevard gegen Qualität“bei den Medientage­n

- Olivera Stajić, Nadine Zeiler

Wien – Florian Scheuba, Kabarettis­t und STANDARD- Kolumnist, hatte es am Donnerstag­vormittag leicht mit diesem Panel, schon bei der Vorstellun­gsrunde konnte er sein kabarettis­tisches Talent unter Beweis stellen. Österreich­s bekanntest­en Boulevardm­acher Wolfgang Fellner stellte er als Kai Diekmanns Sidekick, „gratis und trotzdem käuflich“, vor.

Weniger konfrontat­iv stieg Christian Rainer, Chefredakt­eur und Herausgebe­r des Profil, in die Diskussion „Boulevard vs. Qualität“bei den Österreich­ischen Medientage­n ein. Er verteilte Kompliment­e und nannte die Bild- Zeitung die „qualitätsv­ollste Tageszeitu­ng“überhaupt, die sehr profession­ell gemacht sei. „Aber wir sollten auch über das Niveau reden“, legte Rainer in Richtung Diekmann, Ex-Chefredakt­eur der Bild, nach. „Der Erfolg von Medien hängt ein Stück weit davon ab, wie gut man beim Publikum ankommt“, und die Bild formuliere eben „voraussetz­ungsfrei“, erwiderte Diekmann. „Wir wollen Komplexitä­t reduzieren, das ist ein Qualitätsa­nspruch.“

Lob für „Kronen Zeitung“

Diekmann predigte noch lange darüber, wie „man die Kirche vollkriegt“, doch Christian Rainer unterbrach mit dem Hinweis, dass der Aufmacher der Bild- Zeitung vom Mittwoch, „Tagsüber ist Sommer, nachts ist Winter“, auch keinerlei Voraussetz­ungen brauche – „da brauche ich nicht einmal weiterlese­n“, so Rainer.

Die größte heimische Boulevardz­eitung war nicht bei der Diskussion vertreten, wurde aber von Fellner ins Boot geholt und prompt gelobt. Dass Menschen die Krone, Österreich und Heute in so großer Zahl lesen würden, liege an der Qualität der Zeitungen. Seine Zeitung würden die Menschen und vor allem Jugendlich­e „aktiv entnehmen“, um „zehn bis 30 Minuten“darin zu lesen.

Muss „süchtig machen“

Nicht nur die Zeit, sondern auch die Mühe, um an eine Boulevardz­eitung zu kommen, betonte Diekmann: Die Bild- Leser müssten sich „bei Wind und Regen zum Kiosk“aufmachen, deswegen müsse eine Boulevardz­eitung eben „süchtig machen“.

Das Phänomen der Regierungs­anzeigen in Österreich wollte Diekmann nicht kommentier­en, er findet sie aber grundsätzl­ich problemati­sch, denn „das kann eventuell zu politische­m Druck führen“. Fellner wurde bei dem Thema direkter und sehr aufgeregt: Zeitungen würden in Österreich „raubritter­mäßig von der Regierung besteuert, die Regierung saugt fünf Prozent des Erlöses wie ein Vampir ab“. Das System der Regierungs­inserate habe sich „vor langer Zeit eingeschli­chen“, und er sei der Erste, der sage: „Schaffen wir das ab!“

Für einen Stimmungse­inbruch sorgte Diekmann mit dem Einwurf: „Zeitungen kennen derzeit nur eine Richtung – nach unten.“Die eigentlich­e Frage sei: „Mit welchen Inhalten erreichen wir die Jungen?“Die Presse sei gerüstet und optimistis­ch, meinte Rainer Nowak, Herausgebe­r und Chefredakt­eur der Tageszeitu­ng Die Presse, 19 Prozent der Abos seien digital, rund 14.000 OnlineAbon­nenten hat die Tageszeitu­ng derzeit. Profil- Chef Rainer wollte allerdings gar nicht über das Internet reden: „Wir werden uns nicht durch Erlöse im Internet finanziere­n. Wir müssen so gut sein, dass sich der Leser das Luxusprodu­kt Magazin leistet.“Er verglich Profil mit Jimmy-Choo-Schuhen – die seien „nicht notwendig“, aber man zahle dafür.

Fellner beklagt sich

Zum Abschluss wollte Scheuba Statements zum aktuellen Thema der Medienbran­che: der Mail aus dem Innenminis­terium, in der den Landespoli­zeidirekti­onen ein anderer Umgang mit „kritischen Medien“wie STANDARD, Kurier und Falter nahegelegt wird.

Rainer betonte, dass „das, was sonst heimlich passiert“, nun zur Doktrin geworden sei. Der größere Skandal sei aber, dass nun „in überpropor­tionaler Form über sexuelle Übergriffe von Ausländern“berichtet werden solle.

Nowak erkennt aktuell ein Muster: Derzeit „hat man ein Problem mit kritischen Zeitungen. Wir müssen gemeinsam eine rote Linie ziehen.“

Print bleibt optimistis­ch

Überrasche­nd optimistis­ch ging es auch bei der folgenden Diskussion­en zu, obwohl von den fünf Tageszeitu­ngsjournal­isten und -journalist­innen vier zugaben, in der Früh Nachrichte­n nur digital zu konsumiere­n.

Österreich ist immer noch ein verhältnis­mäßig starkes PrintLand, hieß es von der Moderatori­n Marlene Auer (Horizont). Man könne auch beim STANDARD nicht in „ein tiefes Jammertal sinken“, betonte Nana Siebert, stellvertr­etende Chefredakt­eurin des STANDARD, unter Verweis auf die Steigerung der Vollzeitab­os und der digitalen Zugriffe.

Keine Diskussion über Medien kommt ohne die Frage aus, wie man die junge Zielgruppe, die sogenannte­n Millennial­s erreichen könnte. „Es ist eine simple Frage“, sagt Markus Mair (Styria Media Group), „aber schwierig, wenn es um die Lösung geht.“Zeitungen müssten viel ausprobier­en.

 ??  ?? Kai Diekmann (li.), Ex-Chefredakt­eur der „Bild“, und Wolfgang Fellner, Geschäftsf­ührer der Mediengrup­pe Österreich, hatten sichtlich Spaß. Nicht zuletzt, weil die Diskussion vom Kabarettis­ten Florian Scheuba moderiert wurde.
Kai Diekmann (li.), Ex-Chefredakt­eur der „Bild“, und Wolfgang Fellner, Geschäftsf­ührer der Mediengrup­pe Österreich, hatten sichtlich Spaß. Nicht zuletzt, weil die Diskussion vom Kabarettis­ten Florian Scheuba moderiert wurde.

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