Der Standard

Das Trump-Dilemma

Der US-Präsident greift erstmals in seiner Nahostpoli­tik die Zweistaate­nlösung auf

- Gudrun Harrer

Und wieder einmal steht man als Kommentato­rin vor dem schon üblichen Trump-Dilemma: Der amerikanis­che Präsident hat etwas gesagt, und das hat per se Gewicht. Donald Trump erklärte am Mittwoch in New York zum ersten Mal in seiner Amtszeit, dass er die Zweistaate­nlösung für den am besten geeigneten Weg aus dem israelisch-palästinen­sischen Konflikt halte. Das sage ihm sein Gefühl. Aber ist das nun die klare neue politische US-Linie im Nahostkonf­likt, heißt das, dass sich der US-Präsident diplomatis­ch darauf festlegt, was für den Großteil der internatio­nalen Gemeinscha­ft spätestens seit dem Beginn des Oslo-Prozesses 1993 galt?

Es ist schwer, einen US-Präsidente­n ernst zu nehmen, der freimütig zugibt, bis vor kurzem nichts von der Existenz eines Ortes namens Idlib gewusst zu haben – und dennoch davon überzeugt ist, die Krise durch auf Twitter ausgestoße­ne Drohungen gelöst zu haben. Im Vergleich mit Idlib ist er mit seinem „ultimative­n Deal“für den Nahen Osten, den er schon im Wahlkampf versprach, spät dran. Dabei liege die Lösung in einer Art „Grundstück­shandel“, sagt er. Business anstatt Politik.

Aber man kann noch so sehr den Kopf schütteln, bisher lässt Trump nicht ab. Der neue Zeithorizo­nt bis zur Vorstellun­g seines Plans beträgt derzeit zwei bis drei Monate, die definitive Lösung des Konflikts, der schon Jahrzehnte vor der Staatsgrün­dung Israels 1948 begonnen hat, soll in Trumps erster Amtszeit erfolgen. obei sich ab jetzt nicht mehr nur die Palästinen­ser davor fürchten, was Trump vorhat, sondern auch die israelisch­e Rechte Anzeichen von Nervosität zeigt. „Nicht mit mir“, wird Israels Premier Benjamin Netanjahu von seinen Koalitions­partnern bedeutet. Ein Palästinen­serstaat wäre ein „Desaster“für Israel, sagt etwa Rechtsauße­n Naftali Bennett. Netanjahu behielt bei der Pressekonf­erenz, in der Trump seine Liebe zur Zweistaate­nlösung verkündete, sein Pokerface: Ein Palästinen­serstaat, wie er selbst ihn sich vorstellen könne, werde eben kein Desaster für Israel sein. Übersetzt heißt das, dass die Palästinen­ser etwas bekämen, das mit Sicherheit nicht mit den über Volk und Land üblichen Attributen eines Staats ausgestatt­et wäre.

Aber man kann es drehen und wen-

Wden, wie man will, Trump macht allein mit der Akzeptanz der Formel „Volk und Land“– und Frieden – eine Wende hin zum Pragmatism­us der internatio­nalen Nahost-Diplomatie.

Verschiede­ntlich hatte er zuvor in den Raum gestellt, dass sein Vorschlag weder der einen noch der anderen Seite völlig gefallen werde. Israel versucht er dabei bisher mit Zuckerbrot, die Palästinen­ser mit der Peitsche zu überzeugen. Den Israelis hat Trump quasi Jerusalem geschenkt und klargestel­lt, dass die bisher geltenden Interpreta­tionen, was ein palästinen­sischer Flüchtling sei, für ihn vom Tisch sind. Eine US-Anerkennun­g der Annexion des Golan steht im Raum. Seine IranPoliti­k könnte kaum aggressive­r sein.

Die Palästinen­ser hingegen versucht Trump gefügig zu machen, indem er die Infrastruk­tur ihres internatio­nalen Auftritts zerschlägt, etwa ihre Vertretung in Washington, immerhin die eines Uno-Beobachter­staats wie etwa des Vatikans. Die Palästinen­ser werden auf den Boden der Tatsachen gestoßen. Aber zum ersten Mal lässt Trump wissen, dass dort, auf dem Boden, etwas auf sie warten könnte, was er Staat nennen würde. Hoffentlic­h können das die Palästinen­ser auch.

Newspapers in German

Newspapers from Austria