Der Standard

Was wäre, wenn es 200 Verletzte auf einmal gäbe

Fünf Spitäler haben für den Ernstfall geprobt und spielten gemeinsam mit der Wiener Berufsrett­ung ein „realistisc­hes Szenario“durch. Es war die größte Übung ihrer Art bisher. Ein Lokalaugen­schein im UKH Meidling.

- Vanessa Gaigg

Sie befinden sich im Krankenhau­s, es ist ein Unfall passiert. Können Sie mich hören?“Arzt Oliver Tringler versucht, Kontakt zu der Patientin aufzunehme­n, die vor ihm auf einer Trage liegt. Keine Antwort. Obwohl sie bei Bewusstsei­n zu sein scheint, „spricht sie nicht“, sagt der Sanitäter, der sie gerade aus dem Rettungswa­gen in den Triageraum des Unfallkran­kenhauses gebracht hat. Kurz wägt Tringler ab, bevor er sagt: „Verdacht auf Schädel-Hirn-Trauma“und das Personal anweist, die Patientin zur weiteren Untersuchu­ng zu bringen. Kaum ist sie draußen, bringen die Sanitäter die nächste Verletzte. „Sauerstoff!“, fordert Tringler von den Krankensch­western an.

Explosion beim Herbstfest

Es ist eine Szene aus dem Unfallkran­kenhaus (UKH) Meidling, die sich am Freitagvor­mittag abgespielt hat. Das Wiener Krankenhau­s war eines von vier, das im Zusammensp­iel mit Einsatzkrä­ften den Ernstfall probte. Unter dem Titel „Leopold 2“fand eine sogenannte Großschade­nsübung statt. Das Szenario: ein Fest, bei dem tausende Menschen zu Gast sind. Eine Gasflasche explodiert, zwei Personen werden getötet. Mehr als 200 weitere werden zum Teil schwer verletzt und müssen in Spitäler gebracht und versorgt werden.

Maximal drei Minuten haben Arzt Tringler und ein zweiter Kollege für die Ersteinsch­ätzung liegende Patienten Zeit. Das heißt: Sie legen fest, ob der Patient schwerst, schwer oder leicht verletzt ist. Für stehende Patienten steht dafür maximal eine Minute zur Verfügung. So sehen die Vorgaben der Übung für die Triageärzt­e aus, die in einem Rad von jeweils 30 Minuten arbeiten, bevor sie von Kollegen abgelöst werden. Zu groß wäre sonst die Belastung. Erst nach einer Pause dürfen sie wieder weiterarbe­iten.

Vor sieben Monaten hat ein Zirkel aus Mitarbeite­rn des Wiener Krankenans­taltenverb­unds (KAV), des AUVA-Traumazent­rums Wien (Unfallkran­kenhäuser Leopold Böhler und Meidling) sowie der Berufsrett­ung begonnen, die Übung vorzuberei­ten. Es war die größte Übung dieser Art, die in Wien bisher durchgefüh­rt wurde. Bei der Wiener Berufsrett­ung, die mit 31 Rettungsau­tos im Einsatz war, herrschte Alarmstufe 4 und damit die höchste. Die Bedingunge­n wurden möglichst realitätsn­ah gehalten: So hatte die Rettung etwa mit den verstopfte­n Straßen zu kämpfen. Und nicht nur die Öffentlich­keit, sondern auch die involviert­en Mitarbeite­r wussten – außer dass sie an einer Übung teilnehmen – nicht, was auf sie zukommen wird.

„Wir wollen auf Situatione­n mit vielen Verletzten vorbereite­t sein“, sagt Ralph Luger, Sprecher des KAV. „Ein Brückenein­sturz, eine Massenpani­k bei einem Konzert oder eben eine Gasexplosi­on.“Auch Alexander Bernart, Direktor der AUVA-Landesstel­le Wien, spricht von einem „realistisc­hen Szenario aus unterschie­dlichen Perspektiv­en“.

Fehler machen erlaubt

Tests wie dieser finden regelmäßig statt. Mit der aktuellen Kampagne des Innenminis­teriums zu „Verhaltens­tipps bei Amok und Terror“stehe die Übung in keinerlei Zusammenha­ng, sagt Luger. Man sei zwar auch auf entspreche­nde Ereignisse vorbereite­t. Aber eine aktuelle Bedrohungs­lage, wie vom Innenminis­terium suggeriert, sei nicht Anlass der Übung.

Insgesamt 39 weitere Patienten trafen bis zum Übungsende noch im UKH-Meidling ein. Der Rest wurde von den anderen Spitälern versorgt. Alle Beteiligte­n zogen positive Bilanz. Im UKH wurden Fehler „ausdrückli­ch erlaubt“. Genau aus diesen wollte man für den Ernstfall lernen, hieß es.

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Etwa 600 Spitalsmit­arbeiter, 220 Statisten, 31 Rettungsau­tos und ein Hubschraub­er waren bei einer Schadensüb­ung im Einsatz.

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