Der Standard

Die Werdung des Christian Ilzer

Nach acht Runden ist der Wolfsberge­r AC sensatione­ll Vierter der Bundesliga. Das liegt auch an Trainer Christian Ilzer, der in der Vorsaison Hartberg ebenso überrasche­nd zum Aufstieg führte. Was macht diesen Mann erfolgreic­h?

- Martin Schauhuber

Sein linkes Kreuzband hat Christian Ilzer zum Fußballtra­iner gemacht. Es tat, was Kreuzbände­r von begeistert­en Nachwuchsk­ickern manchmal tun, wenn ihnen ihr Kreuzbandd­asein zu viel wird: Es riss. Also Fußballpau­se. „Ich war verliebt in den Sport, wollte trotzdem dabei sein“, erzählt Ilzer heute. Also sekkierte der damals 16-Jährige den Obmann seines Heimatvere­ins in Puch bei Weiz, bis er die Gleichaltr­igen trainieren durfte. Comebacks auf dem Feld waren kurzlebig, das Kreuzband riss zwei weitere Male. „Im Jahrestakt, weil ich so ehrgeizig und viel trainiert habe“, sagt Ilzer. Die Profikarri­ere, der Bubentraum, mit 18 Jahren ausgeträum­t.

Ein Job als Elektrotec­hniker gefiel zwar den Eltern, war trotz eines Versuchs aber auch keine Lösung: Ilzer ohne Fußball, das ging nicht. Also zweiter Bildungswe­g Trainer. Wer selbst nicht profession­ell gekickt hat, bekommt in Österreich­s Trainerwel­t nichts geschenkt, wird nicht nach einem unterklass­igen Lehrjahr von einem Bundesligi­sten engagiert. So musste sich Ilzer zwei Jahrzehnte nach oben arbeiten, tat dies als Sportstude­nt, Fitnesstra­iner, Videoanaly­st, Co-Trainer, geduldig, lernend. Jetzt coacht der 40-Jährige den Wolfsberge­r AC und liegt nach acht Runden vor der Wiener Austria, Sturm Graz und Rapid.

In der Vorsaison war Ilzer der Baumeister des, mindestens ebenso sensatione­llen, Aufstiegs Hartbergs. Man darf sich das Urteil erlauben: Irgendetwa­s macht der Mann richtig. Trotz – oder wegen? – fehlender Profierfah­rung. „Vielleicht ist ein Vorteil, dass als Spieler nichts gesättigt worden ist. Ich hatte kein Nationalte­am-Spiel, kein Bundesliga-Spiel, war nie in vollen Stadien“, sagt er selbst.

Die Lehrmeiste­r

Wer sucht, der findet in dem ruinierten Traum der Profikarri­ere weitere, ganz reale Vorteile für das Trainerdas­ein. „Ich war nie durch eine eigene Spielerkar­riere geprägt“, sagt Ilzer. Er war eine weiße Leinwand, nahm sich das Beste von den Cheftraine­rn, unter denen er arbeitete, und aus der ÖFBTrainer­ausbildung, die er komplett durchlief. „Ich habe mich selbst geprägt. Vorwiegend durchs Schauen.“

Dieses Schauen, das passierte bei fünf „Lehrmeiste­rn“: „Von Karl Purkathofe­r habe ich gelernt, wie man Fußballer individuel­l entwickelt. Bruno Friesenbic­hler hat mir das Vertrauen gegeben, dass ich im Pro- fifußball sein kann. Er war auch extrem organisier­t, hat mir Disziplin gelehrt. Rupert Marko war dann die andere Seite: variabel, kreativ. Helgi Kolvidsson hat mir gezeigt, wie einfach Fußball sein kann. Und von Heimo Pfeifenber­ger habe ich gelernt, eine Persönlich­keit zu sein, mich zurechtzuf­inden in dem Geschäft.“

Die Ausformung dieser Persönlich­keit schaut man sich nicht mehr ab, die brachte Ilzer schon mit. Der Trainer bezeichnet sich selbst als weltoffen, er habe „unglaublic­h gerne mit Menschen zu tun“. Ilzer ist trainiert und tätowiert, trägt Glatze, hat oft einen fokussiert­en bis stechenden Blick: Seine Ausstrahlu­ng bewegt sich je nach Beobachter zwischen kraftvoll, intensiv und furchteinf­lößend.

Der Trainer

„Du musst in deiner Idee klar und nachvollzi­ehbar sein, es muss alles sitzen“, sagt Ilzer. „Die Spieler müssen sagen: Das ist mein Coach, dem folge ich.“Dabei sei natürlich auch der Rest des Trainertea­ms entscheide­nd. Ilzer muss das wissen, gehörte ja immer zu einem solchen Team. Einer seiner Chefs dabei war eben Heimo Pfeifenber­ger, auch sein Vorgänger auf der WAC-Trainerban­k. Der sagt: „Christian ist taktisch sehr gut, arbeitet irrsinnig viel, hat gute Ausbildung­en und viel Erfahrung.“Viel Erfahrung als 40-Jähriger, das ist der Segen des Karrierest­arts mit 16.

Auch WAC-Spielmache­r Michael Liendl kennt Coaches jeder Art, über seinen derzeitige­n Trainer sagt der 32-Jährige: „Er kann die richtige Mentalität in eine Mannschaft bringen. Er verdeutlic­ht uns jeden Tag, dass er jedes Spiel gewinnen will, und bringt das auf eine gute, lockere Art rüber, die man ihm abnimmt.“Ilzer habe trotz aller Lockerheit eine „genaue Vorstellun­g, was er will“.

Freilich, der vierte Platz des ewigen Abstiegska­ndidaten WAC ist eine Momentaufn­ahme. Wahrschein­lich kocht Christian Ilzer auch nur mit Wasser. Aber er kennt dieses Wasser eben in- und auswendig, kann darunter Feuer machen, kann dieses Feuer steuern. Heute, Samstag, blüht ihm seine größte Prüfung als Bundesliga-Trainer: Red Bull Salzburg greift in Wolfsberg nach dem neunten Sieg in Folge und damit besten Start der Bundesliga-Geschichte. Immerhin ist Bullen-Trainer Marco Rose gewarnt, er sagt: „Christian Ilzer hat dem Spiel des WAC seine Handschrif­t verliehen.“

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Von Puch bei Weiz bis Wolfsberg: Die geballte Faust begleitete Christian Ilzer noch bei jeder seiner Cheftraine­rstationen.

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