Der Standard

Der kleine Maxi hat auch im Theater Recht

Menasses „Hauptstadt“im Wiener Schauspiel­haus

- Stephan Hilpold

Wien – Kein Schwein in Sicht. Nur einmal wird einer der Schauspiel­er eine Schweinema­ske tragen – zur Verdeutlic­hung, welche Gedanken ihn reiten. Und ansonsten? Auf der Bühne des Wiener Schauspiel­hauses werden zwar die Exportprob­leme österreich­ischer Schweinemä­ster (zu wenige Schweinsoh­ren für den chinesisch­en Markt) und die Namensfrag­e der in Brüssel vagabundie­renden Sau (Mohamed kommt nicht so gut an) erörtert, der Protagonis­t in Robert Menasses Hauptstadt taucht aber nicht auf. Es ist ein Schwein, das die vielen Handlungss­tränge des preisgekrö­nten Bestseller­s zusammenhä­lt.

Diesen zu dramatisie­ren, ist keine besonders naheliegen­de Idee. Regisseuri­n Lucia Bihler und Dramaturg Tobias Schuster haben es zum Saisonauft­akt trotzdem gewagt, und zumindest in den Anfangsseq­uenzen des zweistündi­gen Abends eine überzeugen­de Erzählweis­e gefunden.

In einem mit falschem Marmor verunziert­en Klub zieht ein weißgeschm­inkter Barmann (Bardo Böhlefeld) die Handlungsf­äden der im Herzen der EU angesiedel­ten Geschichte. Als da wären: eine zypriotisc­he Karrierist­in, die der Brüsseler Kulturabte­ilung den Rücken kehren will (Sophia Löffler), ihr braver Mitarbeite­r, der ihr dabei mit einem ambitionie­rten Jubiläumsp­rojekt helfen soll (Simon Bauer). Gesäumt wird das Duo von mausgrauen Beamten und ungenierte­n Lobbyisten, ambitionie­rten Wissenscha­ftern und intrigante­n Vorgesetzt­en. Sie alle sind in der Wiener Porzellang­asse weniger Menschen aus Fleisch und Blut als Bürokratie­zombies in knisternde­n Anzügen. Wenn sie sich bewegen, tun sie das in abgehackte­n Bewegungen – oder gleich im Fast-Forward-Modus.

Es sei in Brüssel wirklich so, „wie es sich der kleine Maxi vorstellt“, hat Robert Menasse geschriebe­n. Sein fasziniere­nder Roman liefert die fiktionale Blaupause dazu. Leider verzettelt sich dessen Dramatisie­rung auf den diversen Schauplätz­en, ohne dabei seine Metaebene in den Griff zu kriegen. Das Ganze kulminiert in einem Plädoyer zur Überwindun­g von Nationalst­aaten. Im Schauspiel­haus wird das mit stierem Blick ins Publikum vorgetrage­n, im Roman ist diese Botschaft vielfach gebrochen. Das überzeugt wesentlich mehr.

Newspapers in German

Newspapers from Austria