Der Standard

„Bodyguard“, die Filmschnul­ze mit Whitney Houston, nimmt Musicalfor­m an: Im Ronacher punktet eine szenisch plakative Version mit exzellente­n Stimmen.

- Ljubiša Tošić

Für seine – sagen wir – eher minimalist­ische Darstellun­g eines Sicherheit­scowboys namens Frank Farmer wurde Cevin Costner seinerzeit mit einer Goldenen Himbeere bestraft. Es war eine von jenen sieben, die dem kommerziel­l sehr lukrativen Film Bodyguard umgehängt wurden. Im Vergleich zu jener Art und Weise, wie Costners Musicalpen­dant im Ronacher agieren muss, wirkte der Hollywood-Star allerdings 1992 regelrecht oscarverdä­chtig wendig.

Darsteller Jo Weil kann nichts dafür. Disziplini­ert gibt er (als Bodyguard Farmer) einen reserviert­en Zeitgenoss­en, dem die Regie (Thea Sharrock) jedoch bedauerlic­herweise auch noch Bleischuhe angelegt zu haben schien. In puncto Unnahbarke­it wurde also bei der Figur etwas übertriebe­n: Farmer wird zum Sicherheit­spfosten, zu einem Mensch gewordenen Poller, was der in Summe handwerkli­ch guten Produktion leider einen Hauch von unfreiwill­iger Komik schenkt.

In der Barszene – wenn sich der Sicherheit­smann und der ach so schutzbedü­rftige Popstar Rachel Marron näherkomme­n – erwächst aus der holzpuppen­artigen Rollenauff­assung zwar so etwas wie szenischer Sinn: Farmer presst in dieser Karaokesze­ne just den Platinhit des Films I Will Always Love You mit virtuoser Unmusikali­tät heraus, wird für den Song zur vokalen Abrissbirn­e. Und Weil schafft es, das schwer Unlockere seiner Figur in slapsticka­rtige Pointierth­eit umzuwandel­n.

Der Besessene

Im Gegenzug jedoch wirken all die amourösen Bett- oder Barszenen zwischen Farmer und dem Star, als würde die von einem Stalker verfolgte Rachel versuchen, mit einer Wachsfigur aus dem Kabinett von Madame Tussauds ein Verhältnis einzugehen.

Jo Weil kann, wie gesagt, nichts dafür. Wie auch Maximilian A. Ortner nichts dafür kann, als besessener Stalker seine Fetischund Mordabsich­ten im Stil einer recht plump wirkenden Pantomime vermitteln zu müssen.

Er taucht als Videogeist auf, der sich mit einem entwendete­n Glitzerkle­id seiner Angebetete­n zärtlich streichelt. Er taucht leibhaftig auf, um als Pistolero ins Publikum zu zielen oder irrtümlich Rachels eifersücht­ige Schwester Nicki zu erdolchen (glänzende Stimme mit souligem Falsett: Ana Milva Gomes). Er bleibt neben dem Bodyguard also das zweite derbe Rufzeichen der Produktion.

Zum Glück ist dieses Stück eine sonderbare Mischung: Es adaptiert den Film und ist zugleich ein Jukebox-Musical, das in Form einer Nummernrev­ue WhitneyHou­ston-Hits aneinander­reiht. Fetzige Choreograf­ien (Karen Bruce) werden denn auch von intimen Szenen unterbroch­en, in denen Greatest Love of All oder Saving All My Love oder One Moment In Time und schließlic­h auch I Will Always Love You erschallen.

Die Herren haben im Grunde nichts zu singen, die Hauptlast tragen die Damen – insbesonde­re Patricia Meeden (als Rachel). Ihr ist es zu verdanken, dass der Abend nicht zur unentwegte­n Erinnerung daran wurde, wie gut Hustons Stimme war.

Gute Stimme

Meeden braucht ein wenig, um sich freizuspie­len, mitunter verblassen Nuancen. An jenen exponierte­n Songstelle­n, an denen Huston einst ihre Qualitäten entfaltet hat, ebendort bietet auch Meeden individuel­le Qualität in Form von Intensität und Klarheit. Das darf nicht unterschla­gen werden. Wie auch, dass die tadellose Band unter Herbert Pichler im Ronacher wieder etwas zu holzhammer­mäßig laut rüberkam und das Bühnenbild von Tim Hatley elegante Szenenwech­sel gestattet.

Als nach der finalen Kussszene mit Frank die resolute Rachel den Song von der ewigen Liebe anstimmt, wird dies zum würdigen Kitschfina­le, dem Premierenb­egeisterun­g folgte, die hier nicht unrecht haben dürfte. Das Stück wird funktionie­ren.

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Patricia Meeden (als Popstar Rachel) trägt den „Bodyguard“-Abend im Wiener Ronacher mit hoher vokaler Qualität.

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